Der deutsche Branchenleader hat stark unter der globalen Konjunkturschwäche gelitten. Doch nun hellen sich die Perspektiven im Chemiesektor auf. Das macht BASF zu einer spannenden Turnaround-Wette mit einer feudalen Dividende.
BASF blickt auf eine schwierige Zeit zurück. Die Aktien des Chemieriesen aus Ludwigshafen haben seit der Bestmarke vom Januar 2018 ein Drittel an Wert verloren, die Marktkapitalisierung ist auf rund 60 Mrd. € geschrumpft. Investoren, die nach einem günstigen Engagement suchen und langfristig denken, eröffnet das Chancen – speziell, wenn die Weltwirtschaft weiter an Dynamik gewinnt.
Die Auswirkungen der Pandemie sind im globalen Chemiesektor deutlich zu erkennen. Nachdem die Branche 2020 den schwersten Geschäftseinbruch seit vierzig Jahren verkraften musste, zeichnet sich nun aber eine Erholung ab. Der US-Branchenverband ACC rechnet für das laufende Jahr mit einem weltweiten Marktwachstum von fast 4%, wobei China und Indien den Aufschwung anführen.
BASF ist gut aufgestellt, um von der Trendwende zu profitieren. Die breit diversifizierte Chemiegruppe hat sich in den letzten Jahren neu formiert und das Portfolio auf profitables Wachstum ausgerichtet. Der Fokus liegt heute auf Segmenten, die festere Margen erwirtschaften und weniger zyklisch sind. Kerngeschäft bleiben Chemikalien, die Bausteine für unzählige Produkte, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind: von Gummistoffen in Autositzen über Vitamine und Omega-3-Fischöl-Kapseln bis hin zu feuchtigkeitsabsorbierenden Schwämmen in Windeln.
Als einer der grössten Chemiekonzerne rangiert BASF in den meisten Endmärkten unter den führenden drei Anbietern. Der Konzern mit 118’000 Mitarbeitenden kooperiert dazu häufig mit führenden Weltmarken. Der «Meister Proper»-Schmutzradierer von Procter & Gamble etwa basiert auf der Oberflächentechnologie von BASF. Zu den Hauptkonkurrenten der Deutschen zählen Eastman Chemical aus den USA, DSM aus den Niederlanden sowie Mitsubishi und Sumitomo Chemical aus Japan.
1865 unter dem Namen Badische Anilin und Soda Fabrik gegründet, ist das Dax-Unternehmen heute in nahezu allen Ländern der Welt präsent. Zu seinen Stärken zählt das Verbundmodell, das einen Grossteil der Wertschöpfung in einem grossen Hauptwerk vereint. Es erleichtert den Transport von Rohstoffen sowie Zwischenprodukten und ermöglicht einen effizienten Energieverbrauch. All das spart Geld. Der Konzern unterhält sechs Verbundstandorte, die zusammen mehr als die Hälfte der Produktion beisteuern. Jeweils zwei davon befinden sich in Europa, Nordamerika sowie Asien.
Die Konzernstruktur von BASF ist in sechs miteinander vernetzte Divisionen unterteilt: Die Sparte Surface Technologies kommt für gut ein Viertel der Einnahmen auf. Materials und Chemicals für jeweils rund 20%. Weitere Segmente sind Industrial Solutions, Agricultural Solutions und Nutrition & Care. Am meisten Gewinn erzielen die Sparten Materials und Agricultural Solutions:
Konzernchef Martin Brudermüller, der das Unternehmen seit 2018 leitet, ist zuversichtlich, dass der Konzern auf dem richtigen Weg ist. Erste Anzeichen für eine Aufhellung des Geschäftsgangs sind bereits ersichtlich: Der grösste Kunde von BASF ist die Autoindustrie, wo sich seit dem zweiten Halbjahr 2020 eine kräftige Erholung abspielt. Ermutigend ist ebenso das robuste Wachstum Chinas, dem weltgrössten Markt für chemische Produkte.
Wie BASF im Vorabschluss vom 20. Januar rapportierte, hat sich der Umsatz im vierten Quartal 8% auf rund 15,9 Mrd. € verbessert. Der operative Gewinn auf Stufe Ebit nahm gegenüber der Vorjahresperiode von 580 auf 930 Mio. € zu. Beide Kenngrössen übertrafen die Erwartungen. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet das Unternehmen mit praktisch konstanten Einnahmen von 59,1 Mrd. € und einem Betriebsverlust von knapp 200 Mio. €. Verantwortlich dafür sind Wertberichtigungen und Rückstellungen für Restrukturierungen.
Den vollständigen Geschäftsabschluss präsentiert CEO Brudermüller am 26. Februar. Gemäss dem Datendienst S&P Global Market Intelligence schätzen Analysten, dass der Umsatz im laufenden Jahr gut 5% auf 61,5 Mrd. € zunimmt. Nach einem erwarteten Konzernverlust von 1,4 Mrd. € im letzten Jahr sollen 2021 etwas mehr als 3 Mrd. € Gewinn resultieren.
Ausser der Erholung der Nachfrage soll dazu ein weiteres Sparprogramm beitragen, das die Unternehmensleitung im Herbst verabschiedet hat. Demnach fallen bis Ende 2022 rund 2000 Verwaltungsstellen weltweit weg. Zentrale Prozesse werden im Zug einer umfassenden Digitalisierungsstrategie standardisiert und gebündelt. Bereits im Sommer 2019 kündigte der Konzern einer Reihe von Massnahmen an, um die jährlichen Kosten um 2 Mrd. € zu senken.
Das kommt nicht überall gut an. Die Gewerkschaften protestieren gegen das neue Sparprogramm. Im Regionalblatt «Mannheimer Morgen» warnte Betriebsratschef Sinischa Horvat unlängst vor einem «Know-how-Verlust». Noch erzielt der Konzern knapp ein Viertel des Umsatzes in Deutschland. Am Sitz in Ludwigshafen geht dieses Jahr ein neues Werk mit Baukosten für 200 Mio. € in Betrieb, um das Schmerzmittel Ibuprofen zu produzieren, das die Deutschen seit über zwanzig Jahren auch in Texas herstellen.
Der kräftigste Wachstumsmotor bleibt Asien, wo BASF inzwischen fast 25% der Einnahmen erwirtschaftet. Als Partner setzt das Unternehmen auf den chinesischen Energiekoloss Sinopec, mit dem die Zusammenarbeit ausgebaut wird. Dazu zählt ein zweiter Steamcracker am Standort Nanjing, um Rohbenzin in das Kunststoffvorprodukt Ethylen umzuwandeln. Auch in Guangdong baut BASF die Kapazität aus. Der Konzern beabsichtigt, von 2020 bis 2024 insgesamt mehr als 40% der Kapitalausgaben in der Region Asia Pacific zu investieren.
Eine immer wichtigere Rolle spielen Trends wie Recycling und CO2-Reduktion. So half die Forschungsabteilung von BASF beispielsweise mit, einen Zement für den Bau des World Trade Center in New York zu entwickeln, der zum Grossteil aus rezyklierten Materialien wie Altglas besteht.
Um Ressourcen zu schonen, plant das Unternehmen derzeit mit dem russischen Nickelförderer Norilsk Nickel ein Werk zur Wiederaufbereitung von Batterien im finnischen Harjavalta. Es soll dazu beitragen, die CO2-Belastung bei der Produktion von Elektrofahrzeugen erheblich zu reduzieren. Einen zusätzlichen Beitrag soll Strom aus erneuerbaren Energiequellen zum Betrieb des Standorts leisten, wozu eine Kooperation mit dem Versorger Fortum vereinbart wurde.
Chancen auf Wachstum macht die Gruppe im Agrarsektor aus. In den Jahren 2017/18 hat BASF in zwei Transaktionen von Bayer Teile des Geschäfts mit Saatgut und Unkrautvernichtungsmitteln für insgesamt rund 7,6 Mrd. € übernommen. Die Einnahmen der Sparte Agricultural Solutions sind dadurch auf über 8 Mrd. € gestiegen, womit sich BASF als einer der weltgrössten Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut etabliert hat. Um das Portfolio zu arrondieren, hat das Unternehmen letzten Sommer mit Cloudfarms einen Spezialisten zur digitalen Optimierung von Betrieben im Bereich Nutztierhaltung gekauft.
Ein bedeutender strategischer Schritt steht dieses Jahr an. Im Frühjahr 2019 hat BASF die Öl- und Gastochter Wintershall mit dem Konkurrenten Dea zusammengeschlossen. Das unter dem Namen Wintershall DEA firmierende Gemeinschaftsunternehmen erwirtschaftete 2019 rund 5,5 Mrd. € an Einnahmen und soll in den kommenden Monaten in Frankfurt an die Börse gehen. BASF hält 67% an der Gesellschaft. Die anderen 33% gehören dem russischen Oligarchen Mikhail Fridman, der Dea 2015 vom deutschen Stromkonzern RWE für 5,1 Mrd. übernommen hatte.
Durch den Börsengang, bei dem gemäss Medienberichten eine Bewertung von rund 15 bis 20 Mrd. $ angestrebt wird, könnte sich BASF langfristig vollständig aus dem volatilen Öl- und Gasgeschäft zurückziehen. Ähnlich ging der Konzern bereits früher bei der Abspaltung des deutschen Düngemittelherstellers K+S vor, der zunächst als separate Gesellschaft an die Börse gebracht und 2011 schliesslich ganz ans Publikum verkauft wurde. Ein Jahr später trat BASF auch den Gashandel an Gazprom ab.
Die Einnahmen aus der Publikumsöffnung kann das Unternehmen gut gebrauchen. Die Akquisitionstätigkeit und der Auftragseinbruch im vergangenen Jahr haben die Bilanz strapaziert. Die Nettoverschuldung ist auf annähernd 16 Mrd. € gewachsen. Analysten schätzen, dass sich der Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (Ebitda) dieses Jahr auf rund 8,8 Mrd. € belaufen wird. Daraus errechnet sich ein Verschuldungsgrad zwischen 1,8 und 2, je nachdem wie rasch Schulden im Jahresverlauf abgebaut werden können.
Wenn der Konzern Ende nächster Woche den vollständigen Abschluss präsentiert, wird sich die Aufmerksamkeit deshalb auch auf die Ausschüttungspolitik richten. Konzernchef Brudermüller bekräftigte im Herbst zwar, dass sich BASF weiterhin zu einer progressiven Dividendenauszahlung verpflichte. «Falls das künftige Wirtschaftsumfeld unsere Wachstumsperspektiven aber dämpfen und die Profitabilität signifikant beeinträchtigen sollte, dann müssen wir möglicherweise die Dividende anpassen», räumte er ein.
Am Markt wird erwartet, dass BASF die Barausschüttung für 2020 von 3.30 auf 3 € pro Aktie kürzen wird. Zum aktuellen Kurs von gut 67 € ergibt sich eine nach wie vor stattliche Dividendenrendite von 4,9%. Unter den weltgrössten Chemiekonzernen weisen nur die Titel von Dow und LyondellBasell eine vergleichbar hohe Rendite aus.
Hinzu kommt, dass die Titel von BASF nicht teuer sind. Das Branchenbarometer S&P Global 1200 Chemicals ist seit Anfang 2020 23% avanciert. Der Kurs von BASF notiert demgegenüber leicht im Minus:
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2021 von 18 bewegt sich ungefähr auf dem Durchschnittswert der letzten fünf Jahre. Das Gleiche gilt für das Ebitda-Multiple von etwas mehr als 9, basierend auf den Analystenschätzungen für den diesjährigen Betriebsgewinn. Die Bewertung bewegt sich somit im Mittelfeld des Sektors.
Ein Blick auf die Insider-Transaktionen zeigt, dass die Konzernführung auch wirklich an ihre Strategie glaubt. Im ersten Semester 2020 wurden zahlreiche Aktienkäufe aus dem Management und Aufsichtsrat gemeldet. Über die letzten Jahre hinweg haben Firmeninsider oft zu Kursen um 60 € Titel geordert – nicht weit unter dem aktuellen Niveau.
Kommt die Konjunktur mit dem Abklingen der Pandemie wieder in Fahrt, bieten die Titel damit eine vielversprechende Gelegenheit, am globalen Aufschwung zu partizipieren. Unserer Ansicht nach ist BASF ist ein solider Standardwert, der praktisch in jedes Depot passt.