Analyse

Intel: «Value Play» für Investoren mit starken Nerven

Der führende Hersteller von Mikroprozessoren spürt momentan den Spardruck von Grossbetrieben, die ihr IT-Budget trimmen. Umso mehr wird er profitieren, wenn sich die Konjunktur aufhellt. Der Kursrückschlag nach dem Quartalsresultat ist übertrieben und eröffnet eine günstige Kaufgelegenheit.

Christoph Gisiger
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Investments im Halbleitersektor erfordern starke Nerven. Das verdeutlicht die ungnädige Reaktion auf den Quartalsabschluss von Intel: Die Aktien 📈 des grössten Herstellers von Mikroprozessoren büssten am Donnerstagabend nach der Resultatpublikation fast 10% ein.

Was ist passiert? Die Zahlen, die Intel-Chef Bob Swan nach Börsenschluss präsentierte, muten mit Blick auf das schwierige Wirtschaftsumfeld respektabel an. Der Umsatz verringerte sich 4% auf 18,3 Mrd. $. Der Gewinn ging im Vergleich zur Vorjahresperiode 29% auf 4,3 Mrd. $ zurück.

Bei den Einnahmen konnte Intel die Markterwartungen leicht übertreffen. Der Gewinn von 1.02 $ pro Aktie fällt 2 Cent geringer aus, als Analysten geschätzt hatten.

Für das Gesamtjahr hebt der Konzern aus Santa Clara derweil die Umsatzprognose von 75 marginal auf 75,3 Mrd. $ an. Das entspricht rund 5% Wachstum und übertrifft die Konsensschätzung knapp. Zur Erinnerung: Im Januar hatte Intel Einnahmen von 73,5 Mrd. $ in Aussicht gestellt.

Trotzdem werden die Aktien abgestraft. Der Grund dafür liegt in den Details und hat hauptsächlich mit der Sparte Data Center zu tun.

Grossbetriebe kürzen IT-Budget

Der Konzernbereich fertigt Rechenchips für Server, die bei Unternehmen, Behörden und Anbietern von Cloud-Diensten wie Amazon, Microsoft und Google zum Einsatz kommen. Er trägt rund ein Drittel zum Konzernumsatz bei und hat im ersten Halbjahr mit robustem Wachstum angenehm überrascht.

Im dritten Quartal sind die Einnahmen nun jedoch um 8% auf 5,9 Mrd. $ zurückgegangen. Im Marktsegment für Grosskonzerne und Behördenstellen ist der Umsatz um fast die Hälfte eingebrochen :

Endmärkte der Sparte Data Center

Veränderung der Einnahmen im Vergleich zur Vorjahresperiode, in %
Cloud-Anbieter
Konzerne und Behörden
Telecom-Anbieter

«Covid-bedingte Herausforderungen haben unser Segment mit grossen Unternehmenskunden und öffentlichen Betrieben signifikant beeinträchtigt», sagte Intel-Finanzchef George Davis dazu während der Ergebnispräsentation.

Insgesamt hat die Data-Center-Gruppe im dritten Quartal zwar 4% mehr Chips als in der Vorjahresperiode abgesetzt. Der durchschnittliche Verkaufspreis ging jedoch um 15% zurück. Die operative Marge verdünnte sich dadurch von 49 auf 32%.

Ähnlich tönt es beim Speicherspezialisten Seagate Technology, dessen Titel am Donnerstag nachbörslich 5% nachgaben. Auch er verwies bei der Resultatbesprechung auf die gedämpfte Nachfrage im Markt für Enterprise-Lösungen.

Kurzum: Wegen der ungewissen Konjunkturaussichten greifen Grossbetriebe im privaten und öffentlichen Sektor vermehrt zu Sparmassnahmen. Dieser Trend hat sich bereits in den Zahlen von IBM am Montag gezeigt. Er wird in der kommenden Woche ein wichtiges Thema bleiben, wenn weitere Branchenleader aus der IT-Industrie über den Geschäftsgang berichten.

Im Fall von Intel schlägt er sich vor allem negativ auf die Nachfrage nach teureren Prozessoren mit mehr Rechenleistung nieder. Der Konzern erwartet im Bereich Data Center deshalb, dass sich der Umsatzrückgang mit rund 25% im laufenden Quartal akzentuieren wird.

Spardruck im PC-Markt

Besser sieht es in der Sparte Client Computing aus. Sie ist mit einem Umsatzanteil von rund 50% Intels zweites Kernsegment und auf Chips für PCs ausgerichtet. Hier begünstigen Trends wie «Work from Home» die Nachfrage nach Notebooks, wogegen der Absatz bei Desktop-Geräten rückläufig ist.

Insgesamt hat der Bereich den Absatz an PC-Rechenchips um 11% gesteigert. Weil im dritten Quartal aber vor allem günstigere Notebooks für Erstnutzer und Schüler gekauft wurden, haben die Einnahmen nur noch 1% auf 9,8 Mrd. $ zugenommen, nachdem sie in den ersten beiden Quartalen um 14 respektive 7% gestiegen sind:

Intel: Einnahmen nach Konzernbereichen

in Mrd $.
Client Computing
Data Center
Übrige Konzernbereiche

Für die Sparte Client Computing bleibt das Umfeld im Schlussquartal ebenfalls anspruchsvoll. Intel prognostiziert einen Umsatzrückgang im tiefen einstelligen Prozentbereich.

Aktien werden abgestraft

Investoren sehen sich damit bereits zum zweiten Mal in kurzer Folge mit unerfreulichen News konfrontiert.

Schon Ende Juli hatte Intel mit einem Patzer bei der Produktion von Mikroprozessoren der nächsten Generation enttäuscht. Im technologischen Wettlauf mit dem taiwanesischen Auftragsproduzenten TSMC und Samsung Electronics aus Südkorea sind die Kalifornier dadurch ins Hintertreffen geraten.

Das spiegelt sich im Kursverlauf. Nachdem die Aktien von Intel bei der ersten Enttäuschung im Hochsommer auf ein Tief von 47.73 $ gesunken waren, rappelten sie sich kontinuierlich auf. Doch jetzt sind sie ungefähr auf das gleiche Niveau wie vor drei Monaten zurückgefallen.

Am Freitag dürften sie auf knapp 49 $ eröffnen, fast 29% unter dem 52-Wochen-Hoch vom 24. Januar:

Kursperformance seit Anfang Jahr

An den Aktienkurs von Intel angeglichen
Intel
AMD
Nvidia
Nasdaq 100
PHLX Semiconductor Index

Mit dieser Performance gehört Intel in der Halbleiterindustrie zu den Nachzüglern. Der Sektorindex PHLX Semiconductor (SOX) bewegt sich seit Anfang Jahr mehr als 28% im Plus. Intel hat 19% verloren.

Die Aktien des wesentlich kleineren Rivalen AMD 📈 sind im gleichen Zeitraum über 73% vorgeprescht. Der auf Grafikprozessoren fokussierte Branchennachbar Nvidia 📈 bringt seit diesem Sommer eine höhere Marktkapitalisierung als Intel auf die Waage. Seine Titel sind seit Ende 2019 rund 127% avanciert.

Weder Nvidia noch AMD haben sich am Donnerstag im nachbörslichen Handel gross bewegt.

Relativ kühl ist bereits am Mittwoch der Abschluss von Texas Instruments aufgenommen worden. Das, obschon der Hersteller von Analog-Chips solide Zahlen rapportierte: Er verzeichnet erstmals seit Herbst 2018 Wachstum und rechnet in den kommenden Monaten dank der Belebung in der Autoindustrie mit einer weiteren Aufhellung des Geschäftsgangs.

Interessant wird vor diesem Hintergrund, was AMD bei der Ergebnispublikation zum Marktumfeld und den Aussichten der Branche sagt. Der Konzern legt am nächsten Dienstag die Zahlen vor. Nvidia hatte das Ergebnis bereits am 19. August präsentiert.

Chancen auf ein Comeback

Wer Intel seit Längerem verfolgt, weiss, dass die Aktien auf die Quartalszahlen nicht selten mit heftigen Ausschlägen reagieren. Wie ein kurzer Blick in die Vergangenheit zeigt, sind Bewegungen von 8 bis 10% keine Ausnahme - und zwar in beide Richtungen:

Marktreaktion auf Quartalszahlen

Kursveränderung am Tag nach der Ergebnispublikation, in %

Obschon der Konzern in den kommenden Monaten gefordert sein wird, halten wir die Titel weiterhin für eine der spannendsten Stories im Halbleitersektor. Für langfristig denkende Investoren eröffnet sich auf dem aktuellen Kursniveau aus drei Gründen eine Chance für ein «Value Play»:

Erstens führt Intel im Bereich Data Center mit dem «Ice Lake»-Chip dieses Quartal die nächste Generation von Prozessoren sukzessive in den Markt ein.

Der Chip aus der Xeon-Reihe basiert auf dem neuen 10-Nanometer-Produktionsprozess, der mit dem Betriebsstart des Werks in Arizona jetzt an drei Standorten angewendet wird. Damit fährt Intel nun auch die 10-Nanometer-Fertigung von Server-Chips hoch, nachdem das bei PC-Prozessoren bereits der Fall war.

Ab nächstem Jahr soll die Produktion auf Hochtouren laufen. Das mag mit ein Grund sein, weshalb sich Grosskunden derzeit vermehrt zurückhalten und bei der Aufrüstung ihrer Server-Farmen auf den neuen Prozessor mit besserer Rechenleistung warten. Hellt sich die Konjunkturlage im kommenden Jahr auf, könnte sich die Nachfrage dadurch zusätzlich beleben.

Zweitens musste Intel vor drei Monaten eingestehen, dass sich der 7-Nanometer-Prozess als nächste Produktionsstufe verzögert. Das ist peinlich. Erstmals seit rund vierzig Jahren ist die Ikone aus dem Silicon Valley technologisch nicht mehr im Lead. Das Management erwägt sogar in Intels Paradedisziplin, CPU-Rechenprozessoren, einen Teil der Fertigung an TSMC auszulagern.

Dieser Entscheid drängt sich aber erst im Hinblick auf 2023 auf. Bis dahin kann und wird viel passieren. Zudem profitiert das Unternehmen davon, dass Software überwiegend für die x86-Architektur von Intel-Chips geschrieben wird. In der Praxis ist das für die Performance oft ebenso wichtig, wie die reine Rechenleistung.

Für den Rivalen AMD, der seine Prozessoren von TSMC fertigen lässt, wird es daher selbst mit einem Produktionsvorsprung nicht einfach, Intel Marktanteile abzuringen - zumindest auf absehbare Zeit.

Drittens konzentriert sich Intel nun noch stärker auf die Kernkompetenz. Das Unternehmen hat zu Wochenbeginn angekündigt, das wenig profitable Geschäft mit NAND-Speicherchips an den koreanischen Hersteller SK Hynix für 9 Mrd. $ zu veräussern.

Bereits 2019 wurde das Segment mit Smartphone-Modems an Apple verkauft, eine weitere Bereinigung des Portfolios folgte diesen Sommer mit der Veräusserung der Einheit für Wi-Fi-Chips.

Während Intel die Kräfte bündelt, stecken Konkurrenten viel Energie (und Geld) in Ambitionen für externes Wachstum. Nvidia plant mit der rund 40 Mrd. $ teuren Übernahme der SoftBank-Tochter Arm die grösste Fusion im Halbleitersektor. Seit einigen Wochen kursieren Gerüchte, dass AMD den Hersteller Xilinx für 30 Mrd. $ kaufen will.

Attraktive Bewertung

Investoren, die bereit sind, gewisse Risiken zu tragen, bietet sich daher eine günstige Gelegenheit zum Einstieg.

Auf Basis der Analystenschätzungen für die nächsten zwölf Monate sind die Titel von Intel zum Kurs-Gewinn-Verhältnis von weniger als 12 bewertet. Zum Vergleich: Der PHLX Semiconductor Index handelt gemäss dem Datendienst S&P Global Market Intelligence zum KGV von über 21. Bei AMD und Nvidia bewegt es sich um stolze 55.

Für die Aktien spricht ebenso, dass sich Intel operativ nach wie vor auf Spitzenniveau bewegt. Die Ebit-Marge über die letzten zwölf Monate beträgt mehr als 33%. Profitabler arbeiten nur TSMC und Texas Instruments. Nvidia kommt auf eine Gewinnspanne von weniger als 29%, AMD auf weniger als 12%.

Bemerkenswert ist ausserdem der robuste freie Cashflow. Wie CEO Bob Swan am Donnerstag gesagt hat, wird sich der Zustrom an freien Mitteln dieses Jahr auf 18 bis 18,5 Mrd. $ belaufen; rund 2 Mrd. $ mehr, als im Januar prognostiziert.

Intel verfügt damit über ausreichend Flexibilität, um in Innovationen zu investieren und Investoren eine grosszügige Ausschüttungspolitik zu offerieren. Auf Basis der Dividende von 1.32 $ je Titel beträgt die Rendite 2.7%. Hinzu kommt das im Oktober 2019 lancierte Aktienrückkaufprogramm, für das noch rund 2,4 Mrd. $ zur Verfügung stehen.