The Market macht sich monatlich auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen. In der Schweiz schafft Schindler den Wiedereintritt. Erstmals dabei sind die dänische Reederei A.P. Moller-Maersk und der norwegische Düngemittelproduzent Yara International.
Die steigenden Zinsen machen die Märkte zunehmend nervös. Technologie- und Gesundheitswerte, die als besonders zinssensitiv gelten, kamen deshalb in den letzten Tagen unter die Räder. Die Rotation in zyklische Segmente wie Rohstoffe und Finanz geht weiter.
Diese Präferenzverschiebung macht sich in den Qualitätsauswahlen von The Market bemerkbar, in denen solche Werte stark vertreten sind. Bis auf die Schweizer Selektion haben sie ihre Vergleichsindizes seit der letzten Bestandesaufnahme zum Teil deutlich geschlagen:
Zur Erinnerung: Seit der Lancierung von The Market im April 2019 machen wir uns an den Börsen der Schweiz, Europas und der USA monatlich auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen.
Was Qualität ausmacht, ist nicht einheitlich definiert. The Market versteht darunter Aktien von Gesellschaften, die eine höhere Kapitalrendite erzielen, eine robustere Bilanz aufweisen und günstiger bewertet sind als das Durchschnittsunternehmen im Vergleichsindex.
Als Kriterien werden die Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), das Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie der Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) in Relation zum Ebit verwendet.
In jeder Region wird je nach Aussagekraft ein viertes Kriterium eingesetzt. In der Schweiz ist es das Wachstum des Buchwerts je Titel über fünf Jahre, in den USA die totale Ausschüttungsrendite – Dividenden und Nettoaktienrückkäufe im Verhältnis zum Unternehmenswert – und in Europa das Momentum der Gewinnprognosen.
In der Schweiz qualifizieren sich wie im Vormonat vierzehn Namen, wobei es zu einer Auswechslung kommt. Nicht mehr dabei ist der Marktexpansionsdienstleister DKSH, bei dem das Wachstum des Buchwerts je Aktie unter den Median des SPI gefallen ist. Den Wiedereintritt schafft der Aufzughersteller Schindler.
Schindler hat Mitte Februar ein schwaches Jahresergebnis vorgelegt. In Lokalwährungen blieb der Umsatz in etwa stabil, der Gewinn brach 17% ein. Dennoch spricht vieles für den Liftbauer. Die Urbanisierung schreitet voran, verdichtetes Bauen wird vielerorts zum Thema, und auch die Alterung der Bevölkerung und der zunehmende Wohlstand sorgen für eine wachsende Nachfrage nach Aufzügen und Rolltreppen.
Dazu kommt der steigende Anteil des margenstarken Servicegeschäfts, das für wiederkehrende Einkünfte sorgt. Und mit China erholt sich der weltgrösste Markt am schnellsten von der Pandemie.
In Europa qualifizieren sich 53 Namen, einer weniger als im Vormonat. Unter den zwanzig günstigsten Werten kommt es gleich zu drei Neueintritten. Erstmals dabei sind die dänische Reederei A.P. Moller-Maersk, der norwegische Düngemittelproduzent Yara International sowie der spanische Versorger Endesa.
A.P. Moller hat die weltgrösste Flotte von Containerschiffen. Die Frachtraten sind sprunghaft gestiegen, nachdem in den ersten Monaten nach Ausbruch der Pandemie Kapazitäten aus dem Markt genommen wurden. Diese fehlen nun, besonders wegen der Erholung der Wirtschaft in Asien. Deshalb hat sich der Ebitda der Dänen im vierten Quartal gegenüber Vorjahr von 1,5 Mrd. auf 2,7 Mrd. $ nahezu verdoppelt.
Natürlich werden die hohen Frachtraten nicht ewig Bestand haben. A.P. Moller rechnet damit, dass sie im ersten Quartal hoch bleiben und danach sinken werden. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen mit einem Gewinnanstieg von 8,3 auf 8,5 bis 10,5 Mrd. $.
Das Geschäft von A.P. Moller ist äusserst zyklisch und kapitalintensiv. Solche Unternehmen standen in den letzten Jahren nicht hoch in der Gunst der Investoren. Entsprechend bewegt sich der Aktienkurs seit zwanzig Jahren unter grossen Schwankungen mehr oder weniger seitwärts. Jüngst ist der Kurs in Richtung der Spitzenwerte von 2007 und 2015 vorgestossen. Die Chancen auf einen Ausbruch stehen nicht schlecht, zumal Kühne + Nagel bereits in neue Sphären vorgestossen sind.
Auch die Aktien von Yara haben Anleger in den letzten Jahren nicht glücklich gemacht. Seit 2008 pendelt der Kurs seitwärts. Nun sendet er aber deutliche Lebenszeichen. Ein Ausbruch aus dem Handelsband würde nicht überraschen:
Aus fundamentaler Sicht helfen die anziehenden Getreidepreise, die für steigende Nachfrage nach Düngemitteln sorgt. Yara ist der grösste Produzent von Stickstoffdünger. Allerdings machen dem Unternehmen die ebenfalls steigenden Rohstoffpreise – vor allem für Erdgas – zu schaffen. So wird der Umsatzanstieg, der auf höheren Volumina und steigenden Absatzpreisen basiert, zumindest teilweise gebremst. Dennoch stufen die Analysten der Deutschen Bank die Titel wegen des starken Gewinnmomentums und der höheren Ausschüttung als «Kauf» ein.
Wie bei vielen Versorgern, die sich nicht hauptsächlich auf erneuerbare Energie fokussieren, litt auch der Kurs der spanischen Endesa, die zu 70% der italienischen Enel gehört. Für die Analysten von Barclays ist das ein Fehler. Endesa profitiere von der zunehmenden Elektrifizierung und könnte zudem vermehrt in den Fokus von ESG-Anlegern geraten, die Geld nach Umwelt- und sozialen Kriterien investieren.
Dies, weil das Unternehmen auf dem spanischen Festland voraussichtlich noch im ersten Halbjahr aus der Kohlekraft aussteige. 2022 dürften auch die verbleibenden minimalen Kapazitäten auf den Balearen abgestossen sein. Das löse eine der grössten Transformationen in Richtung grüner Energie aus, und trotzdem seien die Titel so bewertet, als ob Endesa der grösste Umweltverschmutzer wäre. Zudem unterschätze der Markt den Wert der Projektpipeline für erneuerbare Energie, die vor allem aus Solaranlagen besteht.
In den USA erfüllen 62 Namen alle Kriterien, nach 72 im Vormonat. Am günstigsten ist neu der Häuserbauer PulteGroup. Der Sektor stellt mit D.R. Horton zudem einen Neueintritt:
Der US-Häusermarkt boomt. Die Preise steigen stetig, die Baubeginne stehen höher als vor Beginn der Coronakrise. Die Baugenehmigungen schiessen fast senkrecht nach oben. Die Tiefzinspolitik der US-Notenbank zeigt ihre Wirkung.
Die überschäumende Baukonjunktur zeigt sich in den Resultaten der Hausbauer. D.R. Horton hat mit dem letzten Abschluss die Erwartungen auf sämtlichen Ebenen pulverisiert. Umsatz, Gewinn, fertiggestellte Einheiten, Auftragsbestand, Bestellungen, Guidance – alles wurde übertroffen.
Die Aktien von D.R. Horton und PulteGroup haben am Donnerstag deutliche Verluste erlitten. Gegen Hausbauer sprechen derzeit vor allem zwei Gründe: Angesichts des Booms fragt sich, wie viel besser das Umfeld noch werden kann. Und die steigenden Renditen am Anleihenmarkt werden sich früher oder später in höheren Hypothekarzinsen niederschlagen. Bisher ist das erst zaghaft geschehen. So liegen die Sätze für fünfzehn- und dreissigjährige Hypotheken noch deutlich unter dem Niveau vom Sommer.
Unter den zwanzig Werten mit der höchsten Ausschüttungsrendite finden sich drei neue Namen. Es sind dies der IT-Dienstleister Cognizant Technology Solutions, die Optionsbörse CBOE Global Markets und der Autoersatzteilhändler O’Reilly Automotive:
Cognizant war lange ein Liebling vieler Anleger. Der IT-Dienstleister profitierte vom Trend zum Outsourcing. Das Geschäft wuchs stetig, und weil es wenig kapitalintensiv ist, erlaubte es hohe Renditen.
Seit einiger Zeit harzt es jedoch. Im vierten Quartal beendete eine grosse europäische Bank ihre Zusammenarbeit mit Cognizant, was eine Umsatzeinbusse von 3% auf Konzernstufe zur Folge hatte. Erschwerend hinzu kommt der Trend zu Cloud-Diensten, durch den andere Anbieter wie Accenture schneller wachsen.
Unter neuer Führung versucht Cognizant, Gegensteuer zu geben und die Digitalisierung voranzutreiben – organisch und durch Übernahmen. So wurden letztes Jahr zehn kleinere Unternehmen akquiriert. Der Anteil des digitalen Geschäfts ist dadurch von 37 auf 42% gestiegen. Die Entwicklung der Buchungen als auch die geringere Abwanderung von Kunden seien ermutigend, schreiben die Analysten von JPMorgan. Sie stufen die Aktie mit «Übergewichten» ein.
CBOE Global Markets ist die grösste Optionsbörse der USA. Hauptprodukte sind Optionen und Futures auf den Volatilitätsindex Vix und den US-Leitindex S&P 500. Seit einigen Jahren dümpelt das Volumen in diesen Segmenten jedoch, was sich im Aktienkurs bemerkbar macht. Er notiert fast 30% unter seinem Anfang 2018 erreichten Höchst.
Das Unternehmen plant deshalb verschiedene Gegenmassnahmen. So sollen Produkte auf den S&P 500, den Vix und den Russell 2000 über Mini-Optionen Privatinvestoren zugänglich gemacht werden. Zudem will CBOE den Anteil an wiederkehrenden Einnahmen steigern, was eine höhere Bewertung zulassen würde, wie die Analysten der Deutschen Bank mit Verweis auf die Konkurrenten Nasdaq, Intercontinental Exchange (ICE) oder die kanadische Börsengruppe TMX schreiben. Sie alle erwirtschaften einen deutlich grösseren Umsatzanteil mit solchen Einnahmen und sind entsprechend höher bewertet. Deutsche Bank empfiehlt die Titel zum Kauf.
Skeptisch sind die Experten von JPMorgan. Zwar habe CBOE dank der hohen Volatilität im letzten Jahr ein gutes Ergebnis vorgelegt. Fraglich sei aber, wie nachhaltig diese Dynamik sei. Treiber waren schliesslich die Pandemie, die US-Präsidentschaftswahlen und die Spekulationslust der Privatanleger. Und die Investitionen in Wachstum seien riskant und absorbierten Kapital, das bisher an die Aktionäre ausgeschüttet werden konnte. JPMorgan stuft CBOE als «Underweight» ein.
O’Reilly Automotive ist nach Advance Auto Parts und AutoZone der dritte Autoersatzteilhändler, der in kurzer Zeit den Sprung in die Auswahl schafft. Die Treiber seien bei allen drei ähnlich, schreiben die Analysten von JPMorgan. Nach dem Do-it-yourself-Boom im letzten Jahr sei die Vergleichsbasis für 2021 zwar anspruchsvoll. Handkehrum würde eine Zunahme gefahrener Meilen nach Ende des Lockdown, das hohe Alter des amerikanischen Fahrzeugparks und das bessere Wetter die Nachfrage nach Ersatzteilen ankurbeln.
Dennoch stelle sich die Frage, ob sich diese Trends langfristig fortsetzen. Weil die Bewertung die Verbesserungen im Geschäftsgang bereits reflektiere, stuft JPMorgan die Titel als «neutral» ein.
Die jüngsten Auswechslungen erhöhen die Zyklizität der Auswahlen weiter. Die Unternehmen in der Selektion sind damit gut positioniert, falls sich die Erholung der Weltwirtschaft fortsetzt und die Umschichtung in vernachlässigte Branchen und Titel weitergeht. Kommt es an der Impfstofffront hingegen zu Enttäuschungen oder verliert der Aufschwung an Kraft, sind Verluste wahrscheinlich.