Analyse

Was jetzt für Dividendenwerte spricht

Der Zinszyklus ist gestartet, und Substanzwerte mit hoher Dividende gewinnen an Bedeutung. The Market zeigt, welche Ausschüttungen die diesjährige Dividendensaison bringt.

Ruedi Keller
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Der neue Zinszyklus ist eingeläutet. In den USA hat die Notenbank Fed gestern einen ersten Zinsschritt um 25 Basispunkte vorgenommen. Weitere werden erwartet – auch wenn der Krieg in der Ukraine die Zentralbanken in das Dilemma geführt hat, die nun teilweise stark anziehende Inflation unter Kontrolle zu bringen, ohne dabei das fragiler gewordene Wirtschaftswachstum zu gefährden.

In einem Umfeld mit steigenden Zinsen geraten hoch bewertete Aktien von Wachstumsunternehmen unter Druck. Das ist bereits seit Herbst und verstärkt seit Jahresbeginn zu beobachten, als die sich abzeichnende Drosselung der Geldpolitik sich an den Aktienbörsen niederzuschlagen begann.

Aktien von Unternehmen wie Straumann, Bachem, Tecan oder Geberit haben seither bis zu ein Drittel eingebüsst.

Deutlich besser gehalten haben sich Substanzwerte, die oft eine hohe Dividende bieten, sowie Zykliker: «Steigende Zinsen sind in der Regel eine Reaktion der Zentralbanken auf ein starkes ökonomisches Umfeld», sagt Peter Romanzina, Head Swiss Research bei Vontobel. Aktien von Unternehmen, die vom Wirtschaftszyklus abhängig sind, kommt das entgegen: «Die Gewinne von Zyklikern nehmen in einem solchen Umfeld oft stärker zu, als die steigenden Zinsen auf die Bewertung drücken.»

Beispiele für solche Gesellschaften sind der Zementkonzern Holcim, dessen Valoren eine Dividendenrendite von 4,6% bieten, oder das Industrieunternehmen ABB, dessen Titel 2,6% rentieren.

Bankaktien kommt ein solches Umfeld zudem oft doppelt zugute: Sie profitieren von guten Konjunkturaussichten, während höhere Zinsen gleichzeitig ihre Einnahmen steigen lassen. Ähnliche Treiber gelten für Versicherungsvaloren wie Swiss Re, Zurich Insurance oder Baloise, die eine Dividendenrendite zwischen 4,5 und 6,5% bieten.

Die Unsicherheit, die der Ukrainekrieg derzeit als zusätzlichen Faktor in die Märkte gebracht hat, hat im letzten Monat allerdings gerade Finanzwerte besonders unter Druck gebracht und ihre im Hinblick auf steigende Zinsen zuvor sehr gute Kursentwicklung gebremst.

Doch gerade in einem solchen Umfeld kommt Dividenden eine erhöhte Bedeutung zu.

Dividenden als wichtiger Treiber der Performance

«In den zehn Jahren von 2012 bis 2021 trugen Dividenden 28% zum Gesamtertrag des Swiss Performance Index bei», sagt Romanzina. Er weist aber darauf hin, dass der Dividendenanteil von Wachstumsunternehmen im Vergleich zu ihrer in der Periode sehr starken Kursperformance gering war. Dazu kommt: «Deutlich gewichtiger wird der Anteil der Dividenden an der Gesamtperformance, wenn der SPI nicht mehr wie in den letzten Jahren im Schnitt jährlich 11% zulegt, sondern sich das Kurswachstum verlangsamt.»

Die Vergangenheit zeigt nämlich, dass zumindest robuste Unternehmen die Dividende nur selten senken, wenn die Gewinnentwicklung einen kurzfristigen Rückschlag erleidet.

Im Schnitt haben sich die Dividenden, die SPI-Unternehmen jährlich ausschütten, in den letzten zehn Jahren kräftig ausgeweitet, auf zuletzt rund 50 Mrd. Fr.

Obwohl der SPI sich über den Zeitraum mehr als verdoppelt hat, ist die durchschnittliche Dividendenrendite so nur geringfügig von etwas mehr als 3 auf rund 2,5% zurückgegangen (blaue Linie in der Grafik).

Etwas deutlicher geschrumpft ist zuletzt allerdings die Differenz (gelbe Linie) zwischen der Dividendenrendite von Aktien und der Rendite auf zehnjährige Schweizer Staatsanleihen. Nach sechs Jahren in negativem Territorium hat die Rendite der Eidgenossen dieses Jahr ins Plus gedreht (rote Linie).

Die Dividendenkönige 2022

Zu den besten Dividendenzahlern mit einer Rendite von mehr als 4% gehören in der laufenden Ausschüttungssaison gemäss einer Aufstellung von Mirabaud Asset Management 22 Schweizer Unternehmen, die ihren jüngsten Dividendenvorschlag bereits unterbreitet haben. Zudem sind in der Tabelle Schätzungen zu den Ausschüttungen von Meier Tobler, Helvetia und Baloise aufgeführt, von denen ebenfalls eine Rendite von mehr als 4% erwartet wird.

An der Spitze steht dieses Jahr mit einer Dividendenrendite von mehr als 8% Bobst. Der Hersteller von Verpackungsmaschinen hatte 2021 ein ausserordentlich gutes Jahr und führt deshalb zusätzlich zur ordentlichen Dividende von 2 Fr. je Aktie überschüssige Liquidität über eine Sonderdividende von 6 Fr. je Titel an die Anteilseigner ab. Der diesjährige Spitzenplatz wird damit voraussichtlich aber einmaliger Natur bleiben.

Regelmässig auf den vordersten Plätzen befinden sich hingegen Versicherer wie Swiss Re, Zurich Insurance oder Swiss Life, ebenso Banken wie Cembra Money Bank, Julius Bär oder die Waadtländer Kantonalbank. Mit einer hohen Rendite punkten zudem konstant Swisscom und Holcim.

Steuern mitberücksichtigen

Ein wichtiger Unterschied zu Kursgewinnen ist: Privatinvestoren müssen Dividendeneinnahmen versteuern. Es gibt allerdings Ausnahmen, und zwar wenn die Ausschüttung aus Kapitaleinlagereserven (KER) stammt oder eine Nennwertreduktion vorgenommen wird. In diesem Fall sind sie von der Einkommenssteuer befreit.

Seit 2020 ist es Unternehmen allerdings nicht mehr gestattet, Ausschüttungen zu 100% aus KER zu bestreiten, sondern sie müssen mindestens im selben Ausmass, wie sie KER ausschütten, auch eine ordentliche Dividende leisten. Damit halbiert sich der Steuervorteil – die Dauer, für die die heute bestehenden KER reichen, hat sich damit theoretisch jedoch verdoppelt, zumindest solange keine Aktienrückkäufe oder Kapitalerhöhungen ihren Betrag verändern.

Es gibt jedoch zwei Ausnahmen, die ermöglichen, dass die Steuerbefreiung auch heute weiterhin zu 100% greift.

Verfügt ein Unternehmen über ausländische KER, beispielsweise aufgrund der Übernahme einer ausländischen Gesellschaft, dürfen sie ausgeschüttet werden, ohne dass zusätzlich eine steuerpflichtige Dividende geleistet wird. Dieser Fall trifft auf Holcim und den Abfüll- und Verpackungsspezialisten SIG Combibloc zu, die so gegenwärtig komplett steuerbefreite Ausschüttungen vornehmen können.

Zweitens dürfen Unternehmen, die nicht über einbehaltenen Gewinn verfügen, die Dividende ebenfalls vollständig aus KER leisten. Das trifft beispielsweise auf den Smart-Meters-Konzern Landis+Gyr und die Privatbank EFG zu.

Die folgende Tabelle zeigt die Schweizer Gesellschaften, die über signifikante KER verfügen. Die Daten basieren auf einer Analyse von Vontobel und sind ins Verhältnis zur Dividende gesetzt, die dieses Jahr von den Unternehmen erwartet wird.

Bei der Berechnung der Jahre, für die weiterhin steuererleichterte Ausschüttungen möglich sind, wird davon ausgegangen, dass inländische KER jeweils 50% zur Dividende beitragen und ausländische KER 100% der Ausschüttung ausmachen.

Hohe und steuerlich attraktive Dividenden

Eine Kombination von herausragender Dividendenrendite und steuerlichen Erleichterungen dank hoher KER bieten folgende Unternehmen:

Die Privatbank EFG punktet mit einer aktuellen Rendite von 5,4%. Zudem reichen die KER für mehr als vierzig Jahre, um das aktuelle Dividendenniveau daraus bestreiten zu können. Ähnlich attraktiv ist die Rendite des Telecomretailers Mobilezone, und seine KER reichen noch für weitere fünf Jahre. Julius Bär bietet derzeit 4,8% Rendite, wobei die Dividende für weitere zwei Jahre zur Hälfte aus KER bedient werden kann.

Komplett steuerfrei kann dank seiner ausländischen KER der Zementkonzern Holcim ausschütten, und zwar theoretisch rund dreizehn Jahre lang. Die diesjährige Dividendenrendite beläuft sich auf 4,6%.