Ronald Stöferle, Managing Partner des Vermögensverwalters Incrementum, ist überzeugt, dass die Politik im nächsten Abschwung zu extremeren Massnahmen greifen wird, um die Wirtschaft zu stimulieren. Gold sei eine hervorragende Absicherung gegen die damit verbundenen Risiken.
Die Notenbanken sind derzeit die unbestrittenen Zeremonienmeister. Sie halten die Finanzmärkte bei Laune und versuchen, die Konjunktur zu feinsteuern. Die Anleger danken es ihnen, indem sie Aktienindizes wie den amerikanischen S&P 500 oder den SMI auf neue Höchst treiben.
Nicht ins Loblied einstimmen mag Ronald Stöferle. Der Managing Partner von Incrementum kritisiert die Notenbanken, die permanent versuchten, die Schmerzen im Finanzsystem zu lindern. «Doch Schmerzen enthalten wichtige Informationen. Einem Sportler signalisieren sie, dass etwas nicht stimmt», sagt er im Gespräch mit The Market.
Das sei in der Wirtschaft genau so. Als Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sieht Stöferle eine Rezession als wichtiges Korrektiv, das die vorhergegangenen Exzesse bereinigt.
Die Notenbanken seien mit ihrem Latein am Ende, ist Stöferle überzeugt. Deshalb werde die Stabübergabe von der Geld- an die Fiskalpolitik vorbereitet – und damit drohe auch höhere Inflation.
Als Absicherung gegen dieses und weitere Risiken empfiehlt er Anlagen in Gold. Er ist überzeugt, dass das Edelmetall in Dollar und Franken bald neue Höchst erklimmen wird – «so wie in Euro und vierzig anderen Währungen», wo das bereits geschehen sei.
Im Gespräch erklärt Stöferle, wie Anleger in Gold investieren können und warum Explorationsunternehmen mit hoher Kostenbasis derzeit eine Überlegung wert sind.
Herr Stöferle, die Märkte tanzen immer noch zur Musik der Notenbanken. Wie lange geht das gut?
Es wird vermutlich bald Zeit, die Party zu verlassen. Die Kritik an den mittlerweile permanenten Interventionen wird lauter. In der letzten EZB-Sitzung haben zwölf Länder das Massnahmenpaket ihres Präsidenten Mario Draghi kritisiert. Die vermeintlichen Währungshüter müssen sich irgendwann fragen, ob es tatsächlich ihre Aufgabe ist, die Finanzmärkte bei Laune zu halten. Die US-Notenbank hatte nie das Mandat, die Aktienmärkte zu stützen.
Das hat in den USA nicht so schlecht funktioniert.
Aus Sicht der österreichischen Schule ist die permanente oberflächliche Symptombehandlung falsch. Man muss einen Abschwung auch einmal zulassen, weil Exzesse und Fehlallokationen korrigiert werden und die Kapitalstruktur für den nächsten Aufschwung gestärkt wird. Die Notenbanken versuchen, die Schmerzen im Finanzsystem zu lindern. Doch Schmerzen enthalten wichtige Informationen. Einem Sportler signalisieren sie, dass etwas nicht stimmt. Dasselbe gilt für die Wirtschaft. Die sukzessive Verabreichung immer grösserer Geldspritzen sorgt dafür, dass die Schmerzrezeptoren abstumpfen. Das ist eine gefährliche Entwicklung mit vielen Nebenwirkungen.
Welche Nebenwirkungen meinen Sie?
Die Nullzinspolitik hat nicht nur das Geschäftsmodell von Pensionskassen, Versicherungen und Banken untergraben, sondern auch die Vermögensungleichheit gefördert, die mitverantwortlich ist für den Erfolg populistischer Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums. Dazu sorgt sie für Affektkonsum, den wir als hedonistischen Demonstrativkonsum bezeichnen. Wir beschreiben in unserem neuen Buch «Die Nullzinsfalle», wie die extreme Häufung von Tätowierungen ein Zeichen dafür ist, dass unser Planungshorizont unter anderem wegen der niedrigen Zinsen immer kürzer wird. Wir leben immer mehr im Moment, denn der Zins, der die Zeitpräferenz steuert, wurde ausgehebelt. Langfristiges Denken, Planen und Investieren scheint zu einem Relikt der Vergangenheit zu verkommen.
Führen die Massnahmen nicht eher zu einer erhöhten Sparneigung?
Ich spreche in diesem Zusammenhang vom Nocebo-Effekt. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet «Ich werde schaden». Er beschreibt eine scheinbar negative Wirkung eines Arzneimittels. Als Kreditgeber und -nehmer müssen Sie sich doch fragen, wie die Aussichten einer Wirtschaft sind, die so dramatische Massnahmen benötigt, dass das Geld- und Kreditsystem auf den Kopf gestellt wird. Ab einem gewissen Moment kommt es zur gegenteiligen Konsequenz, weil die Wirtschaftsakteure an die Seitenlinie wechseln und abwarten.
Die Geldpolitik wirkt also nicht mehr?
Seit 2007 hat sich der globale Schuldenstand von 116 Bio. auf 244 Bio. $ mehr als verdoppelt, während die weltweite Wirtschaftsleistung von 58 auf 85 Bio. $ gestiegen ist. Einem Plus von 128 Bio. an Schulden steht also eine Zunahme des weltweiten Bruttoinlandprodukts von nur 27 Bio. $ gegenüber. Wir brauchen immer mehr Schulden, um noch einen Wachstumseffekt zu erzielen; der Grenznutzen der Geldpolitik nimmt rapide ab.
Trotz der Geldschwemme ist die Inflation niedrig geblieben. Wird sich das bald ändern?
Mario Draghi hat bei der letzten Sitzung die Stabübernahme durch die Fiskalpolitik gefordert. Fiskalische Stimuli werden viel stärker an der Tagesordnung stehen, und das wird einen direkteren Inflationsimpuls haben als rein monetäre Massnahmen.
Für die stärkere Zusammenarbeit zwischen Geld- und Fiskalpolitik steht auch Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde.
Frau Lagarde wird Herrn Draghi wie einen Falken aussehen lassen. Draghi hat angetönt, Lagarde werde eine strategische Überprüfung der Geldpolitik anordnen. Dazu zählen auch radikalere Ideen wie die Anpassung des Inflationsziels oder die direkte Überweisung von EZB-Geld auf die Bankkonten der Bürger. Da wird der Boden bereitet für Massnahmen wie die Modern Monetary Theory, kurz MMT, was man auch mit Mugabe Maduro Theory übersetzen könnte.
Immerhin wissen, beziehungsweise wussten, die Herren Mugabe und Maduro, wie man die Inflation anheizt.
Aus Sicht der österreichischen Schule ist Inflation gleichbedeutend mit der Ausweitung der Geldmenge. In einem zweiten Schritt kommt es zur Vermögenspreis- und erst als dritte Stufe zur Konsumentenpreisinflation. Geld ist nichts anderes als ein Tauschmittel. Wird die Quantität erhöht, verringert sich die Kaufkraft, was sich in steigenden Preisen bei Aktien, Immobilien und irgendwann beim täglichen Einkauf oder an der Zapfsäule manifestiert. Die ersten beiden Stufen haben wir bereits gesehen, und deshalb würde es mich nicht wundern, wenn als dritte Stufe die Konsumentenpreisinflation folgte.
Bisher ist davon wenig zu spüren.
Papiergeld ist eine Religion, an die man glauben muss, und die Notenbanker sind ihre Hohepriester. Wenn der Glaube an die Stabilität des Papiergeldes verloren geht, droht eine Kettenreaktion. Das könnte dann geschehen, wenn die Marktteilnehmer realisieren, dass die Massnahmen der Notenbanken zu überzogen waren und nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dann droht das monetäre Endspiel mit Schuldenschnitt, Zahlungsausfall oder hoher Inflation.
Trotz der expansiven Geldpolitik schwächt sich die Wirtschaft ab. Kommt es zu einer Rezession?
Die Rezessionswolken haben sich verdichtet. Das gilt nicht nur für die Eurozone und speziell für Deutschland, sondern auch für die USA. Dort hat sich die Zinskurve – eines der verlässlichsten Rezessionssignale – invertiert. Und in 95% aller Länder fallen die Wirtschaftsdaten schwächer aus als vor einem Jahr. Der OECD-Vorlaufindikator fällt seit 19 Monaten in Folge – das ist die längste Negativserie seit der Finanzkrise. Das Thema wird die Märkte in den kommenden Monaten verstärkt beschäftigen. US-Präsident Trump möchte zwar eine Rezession und einen Einbruch der Aktienmärkte vermeiden und so seine Wiederwahl sichern. Doch die fundamentalen Gesetze der Ökonomie kann auch er nicht komplett aushebeln.
Der Dienstleistungssektor hält sich recht gut.
Gerade in den USA entstehen im Service-Sektor nicht die Jobs, die langfristig für Wohlstand sorgen. In Restaurants und im Einzelhandel werden Stellen geschaffen, die schnell wieder weg sind, wenn der Konsum einbricht. Man kann sich nicht reich konsumieren. Die Industrie und das Gewerbe sind ein Eckpfeiler für den Erfolg einer Volkswirtschaft.
Trump versucht, Industriejobs zurück in die USA zu holen.
Genau, und dafür braucht er einen schwachen Dollar. Es droht ein Währungskrieg, wo jeder Wirtschaftsraum danach trachtet, über eine schwache Währung Inflation zu importieren und die Exportwirtschaft zu stimulieren. Nur können nicht alle permanent gegeneinander abwerten. Das Schöne an Gold ist, dass es am Währungskrieg nicht teilnimmt. Deshalb notiert Gold nicht nur in Euro und vierzig anderen Währungen auf einem Allzeithoch, sondern befindet sich nun auch in Dollar wieder im Bullenmarkt.
Für viele gilt Gold als barbarisches Relikt.
Dann frage ich mich, wieso es denn noch in den Tresoren der Notenbanken schlummert, wieso die Notenbanken ihre Bestände aufstocken und wieso es zunehmend repatriiert wird? Für viele ist Gold etwas Archaisches, für mich ist es die Währung der Zukunft und das monetäre Rückgrat jeder Gesellschaft.
Wer treibt den Goldpreis?
Über 70% der physischen Goldnachfrage stammt aus den Schwellenländern, und die Notenbanken kaufen mittlerweile massiv Gold – allen voran die Zentralbanken Russlands und Chinas, aber auch von Kasachstan, der Türkei oder von Ländern aus der EU wie zuletzt Polen und Ungarn. Zudem ist Gold auch für Investoren interessant, weil es eine Absicherung gegen Aktienkrisen, Rezessionen, finanzielle Repression oder steigende Inflation bietet. Die Investmentnachfrage ist das Zünglein an der Waage, und hier sehen wir langsam steigendes Interesse.
Ist Gold bei Anlegern nicht bereits zu beliebt?
Finanzinvestoren halten noch kaum Gold. Für sie dürfte das vierte Quartal 2018, als alle Anlageklassen ausser Gold und Goldminenwerte korrigiert haben, der erste grosse Warnschuss gewesen sein, der Gold auf ihren Radarschirm befördert hat. Das Interesse hat sich akzentuiert, als Gold den langfristigen Widerstand bei 1380 $ je Feinunze überwunden hat.
Wie bewerten Sie Gold? Existiert so etwas wie ein fairer Wert?
Als Vertreter der österreichischen Schule bin ich da kritisch, weil Wert stets subjektiv ist. Was ist der faire Wert einer Immobilie am Zürichsee, eines Picassos oder eines Fussball-Stars? Er ist immer nur so hoch, wie der Markt zu zahlen bereit ist. In Krisensituation werden die subjektiven Bewertungen angepasst. Dann zählen plötzlich Dinge wie die jederzeitige Handelbarkeit einer Anlage. Gold ist eine der liquidesten Anlageklassen der Welt. Das hat sich 2008 und auch in den letzten Monaten gezeigt.
Es muss doch irgendeinen Anhaltspunkt geben?
Entscheidend für die Entwicklung des Goldpreises sind das Stock-to-Flow-Ratio und der Trend bei den Realzinsen. Ersteres bezieht sich auf die Ausweitung des Goldangebots im Vergleich zum Bestand. Der Goldvorrat wächst jährlich rund 1,6%, das ist also eine Art natürliche Inflation. Bei den Realzinsen zählt nicht das absolute Niveau, sondern die Entwicklung. Mit der anziehenden Inflation dürften die Realzinsen weiter sinken, die Opportunitätskosten für das Halten von Gold also gering bleiben.
Schützt Gold besser gegen Inflation als andere Sachwerte wie Aktien?
Für mich konkurriert Gold nie mit Produktivkapital wie Aktien. Das ist, wie wenn ich das Schweizer Fussball- mit dem österreichischen Skinationalteam vergleiche. Sowohl Gold als auch Aktien gehören ins Portfolio, wobei sich bei den Aktien wegen der sich abzeichnenden Rezession eine defensivere Ausrichtung empfiehlt. Energiewerte dürften demnächst anziehen.
Was spricht für Energiewerte?
Gold ist oftmals der Wegbereiter für andere Rohstoffe – wie jetzt auch. Zunächst stieg Gold, dann wurde Silber erfasst. Als nächstes folgen die breiten Rohstoffe und der Energiesektor. Diesen Ablauf konnten wir in vergangenen Zyklen immer wieder beobachten.
Wie kategorisieren Sie Gold – ist es eine alternative Anlage?
Für mich ist Gold eine Alternative zu Papiergeld. Es ist der Rohstoff der Freiheit und der Stabilität. Gold ist die Antwort auf die extrem expansive Geld- und Fiskalpolitik und das drohende monetäre Endspiel.
Wie investiert man in Gold?
Das kommt auf die Motivation an. Wer sich gegen Extremszenarien wie stark steigende Inflation, ein monetäres Endspiel in Form einer Währungsreform, finanzielle Repression oder einen Aktiencrash absichern möchte, sollte wenig Gegenparteirisiko eingehen. Er sollte das Gold physisch halten und eventuell im Ausland möglichst ausserhalb des Bankensystems lagern. Das ist bei vermögenden Privatkunden ein Trend.
Und wer nicht an einen Crash glaubt?
Wer einen steigenden Goldpreis ohne Eintreten eines Extremszenarios erwartet, kann mit Minenaktien auf den Goldpreisanstieg setzen. Doch Minenwerte enthalten ein Aktienrisiko, sie korrelieren mit dem Aktienmarkt. Dazu kommen natürlich auch politische, unternehmerische und geologische Risiken. Minenaktien sind deshalb nie ein Ersatz für die Sicherheit, die physisches Gold bietet.
Goldminen wurden lange schlecht geführt.
Deshalb ist es auch zu einer Schumpeter’schen kreativen Zerstörungswelle gekommen. Während der Goldpreisbaisse haben die Minen ihre Bilanzen gesäubert, viele unrentable Projekte abgeschrieben, Managementteams ausgetauscht und die Kosten gesenkt. Deshalb ist ihr Hebel gegenüber einem steigenden Goldpreis grösser als je zuvor.
Wie wählen Sie Minenwerte aus?
Wir achten zuerst auf die politischen Risiken, das Management, die Kosten und das Explorationspotenzial. Allerdings erlaubt der steigende Goldpreis, ein höheres Risiko einzugehen. Die Rückkehr des Bullenmarkts bestimmt somit auch den Risikograd unserer Allokationen. Spannend sind Entwickler, die mit hohen Kosten operieren und jetzt an der Gewinnschwelle stehen. Steigt der Goldpreis um 200 $, sind deren Vorkommen plötzlich sehr viel wert. Auch Junior Miners sind interessant.
Was spricht für Junior Miners?
Am Anfang eines neuen Trends kaufen Investoren zuerst die grosskapitalisierten Werte, dann die mittelgrossen und zum Schluss die kleinen. Zudem dürfte sich die Übernahmewelle, die bereits begonnen hat, fortsetzen. Die grossen Förderer, die Majors, haben im Bärenmarkt ihre Explorationsprogramme gekürzt – deshalb müssen sie nun ihre Reserven aufstocken. Unternehmen mit grossen Vorkommen in stabilen Ländern und geringem Investitionsbedarf stehen auf dem Speiseplan der Majors.
Massnahmen wie die Bargeldabschaffung werden bereits diskutiert. Droht das Halten von Gold dereinst nicht verboten zu werden?
Als der Goldbesitz in den Dreissigerjahren verboten wurde, hatte Gold einen monetären Wert, die Währungen waren mit Gold gedeckt. Das ist heute nicht der Fall. Angesichts der grossen Vorräte der grossen Marktteilnehmer – die USA besitzen mehr als 8000 Tonnen, die Eurozone 10’000 Tonnen, China kauft jede Unze, die im eigenen Land produziert wird, Russland hat knapp 20% der Geldmenge mit Gold gedeckt – hätten die Notenbanken also durchaus ein Interesse an einem steigenden Goldpreis.
Glauben Sie das wirklich?
Die Frage bei einem plötzlichen Goldpreissprung ist, was mit den Aufwertungsgewinnen geschieht. Ich halte eine Besteuerung für wahrscheinlicher als ein Goldverbot. Aber natürlich versucht man im Zuge der schleichenden Bargeldabschaffung, den physischen Kauf von Gold unattraktiv zu machen. In Deutschland spricht man über eine Grenze von 2000 € beim anonymen physischen Goldkauf.