Interview

Lonza: «Wir stehen zur richtigen Zeit am richtigen Ort»

Albert Baehny, Verwaltungsratspräsident und ad interim CEO des Pharmazulieferers, spricht über die Chancen des Covid-Impfstoffs, den Verkauf des Chemiegeschäfts und über die mittel- und langfristige Strategie von Lonza. In einem bestimmten Segment will er über Akquisitionen wachsen.

Michael Griesdorf und Mark Dittli
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«Das Wort Nein ist in der Geschäftswelt meist wichtiger als das Wort Ja»: Albert Baehny.

«Das Wort Nein ist in der Geschäftswelt meist wichtiger als das Wort Ja»: Albert Baehny.

Bild: zvg

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Lonza hat den Wind im Rücken. Der Schweizer Konzern hat sich eine weltweit führende Stellung in der Auftragsfertigung von Wirkstoffen für die Pharma- und Biotechindustrie erarbeitet. Als sogenannte CDMO (Contract Development and Manufacturing Organization) profitiert Lonza vom Trend, dass immer mehr Pharma- und Biotechunternehmen ihre Produktion auslagern.

Für Fantasie an der Börse sorgte im Frühjahr zudem die Ankündigung, Lonza habe mit dem US-Unternehmen Moderna eine Partnerschaft für die Produktion eines Impfstoffes gegen das Coronavirus abgeschlossen. Der Wirkstoff basiert auf der mRNA-Technologie (Messenger RNA) von Moderna. Dabei handelt es sich um einen kurzen Nukleinsäurestrang, der innerhalb menschlicher Zellen eine Virusinfektion simuliert und so die Bildung von Antikörpern auslöst.

Mit einem Kursgewinn von gut 60% seit Anfang Jahr ist Lonza 📈 die mit Abstand beste Aktie im Swiss Market Index. Der Konzern bringt eine Marktkapitalisierung von 41,8 Mrd. Fr. auf die Waage.

Albert Baehny führt das Unternehmen als Verwaltungsratspräsident und seit November 2019 interimistisch auch als CEO. Im Gespräch mit The Market spricht er über die bevorstehenden Herausforderungen in der Impstoffproduktion, über die notwendige Fokussierung von Lonza sowie über seine Akquisitionspläne.

Herr Baehny, Lonza ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 40 bewertet. Ist Ihnen noch wohl bei den hohen Erwartungen, die der Markt in Ihr Unternehmen setzt?

Die Erwartungen sind hoch, aber das ist nicht bloss wegen Covid-19 und unserer Impfstoff-Partnerschaft mit Moderna. Der Markt für die Auftragsfertigung der Pharma- und Biotechindustrie wächst, und wir sind gut positioniert. Investoren haben realisiert, dass Lonza zur richtigen Zeit am richtigen Ort steht. Es gibt wenige Firmen, die aktuell ein qualitativ derart hochwertiges Wachstum liefern können wie Lonza. Zudem kommunizieren wir seit einiger Zeit offener gegenüber dem Kapitalmarkt und haben jüngst den Verkauf unseres Spezialchemiegeschäfts angekündigt.

Wo stehen Sie momentan im Projekt mit Moderna?

Lonza wird für Moderna den aktiven Wirkstoff für den Impfstoff gegen das Coronavirus produzieren. Wir bauen dazu vier Produktionslinien, eine in Portsmouth, USA, und drei in Visp. Jede Linie sollte ungefähr 100 Mio. Dosen pro Jahr produzieren können. Im Juli haben wir zum ersten Mal in Portsmouth den mRNA-Wirkstoff in kleinen Mengen hergestellt. Im September planen wir dort erstmals grössere Chargen zu produzieren und in Visp ab Dezember.

«Wir sind optimistisch, dass der Impfstoff von Moderna funktioniert»

Der Impfstoff von Moderna ist in Phase III der klinischen Tests. Ihre Ambitionen punkto Produktionskapazitäten zeigen einigen Optimismus.

Ja, wir sind recht optimistisch, dass der Impfstoff funktioniert. Mit funktionieren meine ich: Wir erhalten das grüne Licht der US-Gesundheitsbehörde FDA, was bedeutet, dass die Risiken des Impfstoffs deutlich kleiner sind als der Nutzen. Die FDA wird es sich nicht erlauben können, ein Sicherheitsrisiko einzugehen. Wir auch nicht.

Können Sie Ihren Optimismus quantifizieren?

Sie verstehen, dass ich Ihnen keine Erfolgswahrscheinlichkeit geben kann. Aber wir sind nicht die Einzigen, die auf der Basis von mRNA arbeiten. Auch andere grosse Pharmakonzerne haben diese Technologie ausgewählt. Zudem: Die Resultate der klinischen Phase I von Moderna waren sehr gut.

Eine Produktionslinie bedeutet Investitionen von 70 Mio. Fr. Lonza finanziert eine davon, Moderna deren drei. Sie gehen ins Risiko, obwohl der Impfstoff noch nicht zugelassen ist. Was ist, wenn er sich als unwirksam erweist?

Wir haben mit Moderna eine Partnerschaft im Bereich der mRNA-Technologie über zehn Jahre abgeschlossen. Moderna hat ungefähr zehn Projekte in der klinischen Entwicklung. Die sind momentan gestoppt, weil das Unternehmen den Fokus auf Covid-19 setzt. Aber sollte der Impfstoff aus irgendeinem Grund nicht freigegeben werden, dann können wir diese Anlagen für andere mRNA-Wirkstoffe benutzen. Das Risiko für uns ist sehr gering.

Wieviel Umsatz und Gewinn wird Lonza aus der Moderna-Kooperation erzielen?

Ich kann wirklich noch nichts dazu sagen. Wir wissen noch nicht, ob der Impfstoff die Zulassung erhält, und wir wissen auch noch nicht, wann die Produktion im grossen Stil beginnen kann. Ich würde bloss spekulieren, und das ist nicht mein Stil. Sobald wir mehr wissen, werden wir transparent kommunizieren. Bedenken Sie: Wichtig ist nicht bloss der Umsatz, den wir mit diesem Impfstoff erzielen. Wir haben mit mRNA eine neue Technologieplattform, und wir haben eine Kooperation auf zehn Jahre mit dem weltbesten mRNA-Spezialisten. Zudem haben wir dank dem Impfstoff deutlich an Reputation gewonnen. Lonza ist in den USA heute viel bekannter als vor ein paar Monaten.

Wann wird die Covid-19-Pandemie unter Kontrolle gebracht sein?

Mit Stand per heute ist weltweit ein Impfstoff freigegeben, und zwar in Russland. Wir kennen die Details dieses Produktes aber nicht. Davon abgesehen sind aktuell sechs Impfstoffe in der klinischen Phase III, einer davon ist derjenige von Moderna. Wir können davon ausgehen, dass erste Vorab-Daten Ende November oder Anfang Dezember vorliegen. Dazu stehen heute zwölf Impfstoffe in der klinischen Phase II, und weitere elf in der klinischen Phase I.

Wann rechnen Sie denn mit ersten Zulassungen?

Unsere Hypothese ist: Wir werden bis Ende dieses Jahres für zirka drei Impfstoffe das grüne Licht der FDA sehen. Dann beginnt die industrielle Produktion.

Lonza kann mit Moderna etwa 500 Mio. Dosen pro Jahr herstellen, was für 250 Mio. Patienten reicht. Selbst wenn die anderen Hersteller ebenfalls die Zulassung erhalten und gleich viele Dosen produzieren können, ist das angesichts der Weltbevölkerung viel zu wenig. Wie soll dieses Problem gelöst werden?

Sie haben völlig recht: Die Welt braucht Milliarden von Impfdosen. Das bedeutet, wir müssen die Kapazitäten erweitern. Wenn wir das grüne Licht der FDA erhalten, müssen wir uns sofort Gedanken machen, die Kapazitäten zu erhöhen. Wie alle anderen Anbieter auch. Wir gehen eine Wette ein: Wir bauen Kapazitäten auf, parallel zu den klinischen Phasen. Das ist das erste Mal, dass Firmen in diesem Ausmass vorab investieren, ohne zu wissen, ob sie die Zulassung erhalten.

Wenn Sie heute entscheiden könnten, weitere Kapazitäten aufzubauen: Wie lange würde es vom Entscheid bis zum Start der Produktion dauern?

Fünf bis sechs Monate. Sie müssen die Produktionslinien installieren. Dazu müssen Sie das Equipment erhalten, und Sie müssen Personal finden. Eine Produktionslinie braucht etwa 70 Leute, die Sie schulen müssen. Sie brauchen auch die Rohstoffe.

Was ist der grösste Flaschenhals?

Für Lonza ist es das Equipment, zum Beispiel die Bioreaktoren und Mixer. Die sind schwierig zu beschaffen. Personal finden wir, Rohstoffe erhalten wir auch.

Sie haben gesagt, die Börse habe die attraktiven Perspektiven des CDMO-Geschäfts erkannt. Analysten trauen dem Markt ein Wachstum von 6 bis 8% pro Jahr zu. Ist das auch Ihre Erwartung, und welches Wachstum will Lonza erreichen?

Ja, das ist auch unsere Hypothese. Im Bereich Pharma und Biotech wollen wir über dem Markt wachsen. Dazu betreiben wir aber noch das Kapselgeschäft mit 1 Mrd. Fr. Umsatz, das eher Zuwachsraten von 2 bis 3% erreichen wird. Das Kapselgeschäft verwässert also etwas die Performance von Pharma und Biotech.

Ist es denn sinnvoll, dass Lonza das Kapselgeschäft behält?

Ja. Es ist ein sehr gesundes Geschäft, mit attraktiven Margen, Wachstums- und Innovationspotenzial. Wir profitieren vom Trend, dass die Leute mehr Nahrungsmittelzusätze in Kapselform einnehmen. Insgesamt sind wir durchaus zufrieden damit.

Gibt es Synergien zwischen dem Kapselgeschäft und den Aktivitäten in der Auftragsfertigung?

Ehrlich gesagt nein. Die Synergien sind marginal. Unser Kerngeschäft ist künftig eindeutig die Auftragsfertigung für die Pharma- und Biotechindustrie. Das ist Lonzas Zukunft, wobei die Musik im Bereich Biotech spielt. Und biotechnisch hergestellte Arzneimittel werden nun einmal nicht in Kapselform eingenommen.

Gibt es Segmente und Technologien im CDMO-Geschäft, die Lonza noch fehlen?

Von allen Anbietern haben wir die breiteste Technologieplattform. Von chemisch hergestellten Molekülen bis hin zu Zell- und Gentherapien bieten wir alles an. Dabei können wir mit allen Technologien sowohl kleine Chargen von Wirkstoffen für klinische Tests als auch grosse Mengen für zugelassene Medikamente herstellen. Jetzt ist noch mRNA hinzugekommen. Wir müssen also nicht Milliarden ausgeben, um eine neue Technologie zu erlangen. Einzige Lücke im Portfolio ist der Bereich Fill-and-Finish, bei dem die Wirkstoffe mit anderen Lösungen zum fertigen Medikament gemischt und steril abgefüllt werden. Im kleinen Massstab bieten wir das zwar an, grosse Chargen liegen aber noch ausserhalb unseres Kompetenzbereichs. Das ist eine Fähigkeit, die wir gerne hätten.

Können Sie sich diese aus eigener Kraft erarbeiten?

Nein, das geht nur über Akquisitionen.

Schweben Ihnen konkrete Kaufobjekte vor?

Ich kann keine Namen nennen. Es gibt auch nicht viele Akquisitionsmöglichkeiten in diesem Markt. Der Bereich hat mit Covid-19 nochmals an Relevanz gewonnen, weil Millionen von Impfdosen in Ampullen abgefüllt werden müssen. Was den Preis einer Akquisition betrifft: Alles hat seine Grenzen. Man muss auch Nein sagen können. Das Wort Nein ist in der Geschäftswelt meist wichtiger als das Wort Ja.

Aktuell durchläuft Lonza eine Phase mit überdurchschnittlich hoher Investitionsrate von 13,5% des Umsatzes. Mit was müssen Anleger längerfristig rechnen?

Mit ungefähr 9 bis 10% des Umsatzes auf normalisierter Basis. Unser Geschäft bleibt aber kapitalintensiv. Das ist auch gut so, denn der Markt wächst, und folglich wollen wir als bisheriger Gewinner im CDMO-Geschäft an diesem Wachstum partizipieren.

Nicht nur Lonza partizipiert daran. Sie konkurrieren mit asiatischen Unternehmen, primär aus China und Südkorea. Welche Dynamik nehmen Sie aus dieser Region war?

In China ist vor allem Wuxi Biologics sehr stark, und Wuxi versucht nun mit einigem Erfolg, Marktanteile in Europa, Nordamerika sowie im restlichen Asien zu gewinnen. Ein anderer gewichtiger Wettbewerber ist Samsung Biologics, die vor allem auf biologisch produzierte Antikörper spezialisiert ist. Auch Samsung baut Kapazitäten auf.

Der chinesische Markt für Medikamente ist der drittgrösste der Welt. Welche Pläne verfolgen Sie dort?

Wir sind stark in Europa sowie in Nordamerika, und wir haben eine gute Präsenz in Singapur. In China müssen wir stärker werden. Deshalb haben wir Anfang Jahr dort eine Anlage von General Electric gekauft, die voraussichtlich im zweiten Quartal 2021 den Betrieb aufnehmen wird.

Während des Covid-Lockdowns kam es zu Lieferengpässen von Wirkstoffen aus China. Wird es künftig für einen Pharmazulieferer von Vorteil sein, wenn er auch im Westen produziert?

Absolut. Die europäische und die nordamerikanische Pharmaindustrie werden ihre aktiven Wirkstoffe wahrscheinlich künftig wieder mehr in ihren angestammten Ländern produzieren und produzieren lassen. Das ist ein Trend, von dem wir profitieren können.

Wird eine neue Form von Pharma-Nationalismus entstehen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Wir haben gesehen, wie wichtig es ist, über funktionierende Lieferketten zu verfügen.

Wo sehen Sie die grössten Risiken für Lonza?

Ich sehe keine grossen Risiken. Natürlich, unsere schärfsten Konkurrenten sind die Pharmakonzerne, denn sie können immer entscheiden, Wirkstoffe selbst zu produzieren. Doch der Trend geht eindeutig in die andere Richtung: Big Pharma will die Produktion auslagern. Auch die kleinen Biotechunternehmen brauchen uns. Mangels Know-how in der Produktion und Kapazitäten kommen kleine Arzneimittelhersteller nach der Erforschung eines Wirkstoffs fast immer zu uns.

Wachstum birgt immer die Gefahr, dass man den Überblick verliert. Wie stellen Sie sicher, dass Lonza auch künftig effizient arbeitet?

Es ist ein grosser Fehler, wenn man meint, man könne rasch wachsen, ohne gleichzeitig die Prozesse anzupassen. Die Prozessoptimierung geniesst bei mir hohe Priorität.

Der Sanitärtechnikkonzern Geberit, den Sie jahrelang als CEO und als VR-Präsident geleitet haben, überzeugt durch operationelle Exzellenz und hohe Margen. Würden Sie das Gleiche auch von Lonza sagen?

Der Vergleich ist etwas unfair, weil Lonza und Geberit 📈 sehr unterschiedlich sind. Aber ich würde sagen, dass Lonza diesbezüglich noch Raum nach oben hat. Lonza ist in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen, sowohl organisch wie auch über Akquisitionen. Wir wollen Marktanteile gewinnen, doch unsere Organisation muss mit dem Wachstum mithalten können. Da müssen wir eine bessere Balance finden.

Ist das der Grund, weshalb Sie das Spezialchemiegeschäft Lonza Specialty Ingredients verkaufen wollen?

Absolut. Lonza ist viel zu komplex. Übertrieben gesagt sind wir aktuell eine kleine BASF und gleichzeitig eine kleine Novartis. Letztlich machen wir das Gleiche, was Ciba-Geigy und Sandoz vor 30 Jahren gemacht haben, als sie sich zu Novartis zusammenschlossen und die Chemiesparten in Clariant und Ciba abspalteten. Zwischen LSI und dem Pharma- und Biotechgeschäft bestehen einfach keine Synergien.

«Wir haben bessere Ideen als Aktienrückkäufe»

Warum haben Sie sich bei LSI für einen Verkauf und nicht für einen Spin-off an die Aktionäre oder Börsengang entschieden?

Ein Börsengang war uns zu unsicher, weil man dabei von den Launen des Marktes abhängig ist. Ein Spin-off wäre keine klare Trennung gewesen, weil wir einen Minderheitsanteil von LSI hätten behalten müssen. Wir wollen dem Markt zeigen, dass der Fokus jetzt voll und ganz auf Pharma und Biotech liegt. Ein Verkauf ist schneller und sicherer.

Wer ist Ihnen als künftiger Inhaber von LSI lieber: ein industrieller Käufer oder Private Equity?

Uns ist wichtig, dass wir Wert für die Aktionäre kreieren können. Gleichzeitig möchten wir einen Partner finden, der die chemische Industrie versteht, denn der zukünftige Inhaber von LSI wird in Visp produzieren, wo auch wir immer noch mit unserem Pharmageschäft aktiv sind. Schliesslich möchten wir, dass ein Käufer diese Anlagen sicher und verantwortungsvoll betreiben kann. Solange ein Interessent diese Punkte erfüllt, haben wir keine Präferenz, ob er aus der Industrie oder aus der Private-Equity-Branche kommt.

Analysten schätzen den Verkaufspreis von LSI auf 3,5 bis 5 Mrd. Fr. Ist das realistisch?

Ich kann nur wiederholen, dass wir für unsere Aktionäre Wert schaffen wollen. Aber Sie verstehen, dass ich keine Preisvorstellung nennen kann.

Was machen Sie mit dem Geld, das Lonza aus dem Verkauf von LSI zufliessen wird?

Sobald wir im Verwaltungsrat den Entscheid getroffen haben, was wir mit dem Erlös machen wollen, werden wir diesen kommunizieren. Das wird frühestens im vierten Quartal sein.

Sie haben Ihre Ambitionen im Bereich Fill-and-Finish erwähnt. Hypothetisch könnten Sie das Geld aus LSI für eine Akquisition verwenden.

Das ist eine faire Hypothese. Ein Teil des Geldes könnte für eine Übernahme im Bereich Fill-and-Finish gebraucht werden. Aber wie gesagt, wir haben noch nicht entschieden.

Nach einer Devestition kommt von Investoren oft die Forderung nach Aktienrückkäufen. Ist das bei Ihnen ein Thema?

Wir haben bessere Ideen als Aktienrückkäufe. Ich verteufle sie nicht, bin aber auch nicht der grösste Freund davon. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein Unternehmen konstruktive Ideen haben sollte, wie es sein Geld intern und extern sinnvoll investieren kann.

Sie haben das Ziel formuliert, bis 2022 eine Rendite auf das investierte Kapital, ROIC, im zweistelligen Prozentbereich zu erzielen. Wenn Sie akquirieren, würde sich das investierte Kapital wegen des Goodwills erhöhen. Wie heilig ist Ihnen die formulierte ROIC-Vorgabe?

Die Rendite auf das investierte Kapital geniesst bei mir einen sehr hohen Stellenwert. Unternehmen, die nach dieser Kennzahl gesteuert werden, tätigen qualitativ gute Investitionen – sprich sie holen mit den Investitionen mehr als die Kapitalkosten heraus. Wenn wir akquirieren, kann es sein, dass die ROIC temporär etwas leidet. Der Trend muss aber klar in Richtung eines zweistelligen Prozentbereichs gehen.

Lonza hat im ersten Halbjahr 2020 eine Ebitda-Marge von gut 29% erzielt. Was sind mittelfristig für Margen möglich?

Ein Unternehmen muss sich ständig verbessern. Man sollte mit den Margen nie zufrieden sein, sie können immer weiter gesteigert werden.

Das Verhältnis von Nettoschulden zu Ebitda liegt aktuell auf 1,9. Wie zufrieden sind Sie mit der Bilanz von Lonza?

Mit allem unter 2 bin ich sehr zufrieden. Für mich ist es auch in Ordnung, wenn die Verschuldung wegen einer guten Akquisition temporär etwas steigt. Aber langfristig ist mein Ziel ein Verhältnis von Nettoschulden zu Ebitda von 2 oder darunter. Angelsächsische Investoren finden das natürlich zu konservativ, aber wenn es um die Bilanz geht, bin ich gerne konservativ.

Lonza hat keinen Ankeraktionär. Theoretisch könnten Sie jederzeit übernommen werden, etwa von einem Käufer aus China. Ist das eine Gefahr?

Zuerst einmal gibt es derzeit diesbezüglich keine Diskussionen mit irgendjemandem. In der Theorie ist ein Übernahmeversuch natürlich eine Gefahr. Aber je teurer wir sind, desto schwieriger wird es für einen interessierten Käufer, uns zu übernehmen.

Sie können Ihr Amt als CEO ad interim Anfang November abgeben. Was erwarten Sie von Ihrem Nachfolger Pierre-Alain Ruffieux?

Herr Ruffieux übernimmt ein gesundes Geschäft mit Zukunft und klarer Strategie. Er muss nun die Organisation und die Kultur weiterentwickeln, Talente identifizieren, aufbauen und halten. Und er muss natürlich weiterhin bestmögliche Resultate liefern. Er muss die operativen Verbesserungsmöglichkeiten nutzen, die sich Lonza bieten.

Albert M. Baehny

Albert Baehny (*1952) ist Verwaltungsratspräsident und seit November 2019 ad interim auch Chief Executive Officer von Lonza. Den Grossteil seiner beruflichen Karriere in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat er in den Diensten von Geberit verbracht. Von 2005 bis 2014 war er CEO des Sanitärtechnikkonzerns und von 2011 bis heute auch VR-Präsident. Unter seiner Führung hat sich Geberit am Finanzmarkt einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Frühere Stationen in seiner beruflichen Laufbahn waren in der Chemie: Baehny hat ab 1979 für Serono, Dow Chemicals, Ciba-Geigy, Vantico und Wacker Chemie gearbeitet, bevor er 2003 zu Geberit stiess. Albert Baehny hat Biologie an der Universität Fribourg studiert.
Albert Baehny (*1952) ist Verwaltungsratspräsident und seit November 2019 ad interim auch Chief Executive Officer von Lonza. Den Grossteil seiner beruflichen Karriere in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat er in den Diensten von Geberit verbracht. Von 2005 bis 2014 war er CEO des Sanitärtechnikkonzerns und von 2011 bis heute auch VR-Präsident. Unter seiner Führung hat sich Geberit am Finanzmarkt einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Frühere Stationen in seiner beruflichen Laufbahn waren in der Chemie: Baehny hat ab 1979 für Serono, Dow Chemicals, Ciba-Geigy, Vantico und Wacker Chemie gearbeitet, bevor er 2003 zu Geberit stiess. Albert Baehny hat Biologie an der Universität Fribourg studiert.