Interview

«Wir nähern uns gefährlichem Terrain»

Mohamed El-Erian warnt vor den Folgen, die mit einem Anstieg der Inflation und höheren Zinsen für die Finanzmärkte einhergehen. Zudem sagt der renommierte Anlageexperte, wie er sich durch das anspruchsvolle Umfeld an den Börsen navigiert.

Christoph Gisiger
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Kaum etwas scheint die Börsen verunsichern zu können. Ob eine potenziell noch gefährlichere Mutation des Coronavirus, die Mehrheit der Demokraten im US-Senat nach der überraschenden Stichwahl in Georgia oder die Bilder einer wütenden Meute bei der Stürmung des Kapitols in Washington: Die Hausse geht unbeirrt weiter.

Mohamed El-Erian sieht jedoch ein Risiko, das Investoren in ernsthafte Probleme bringen könnte. «Eine Entwicklung, die bislang weitgehend ignoriert wird, ist die steigende Zinskurve», meint der Präsident des Queens’ College in Cambridge und ökonomische Chefberater der deutschen Allianz-Gruppe.

Im Interview erklärt der renommierte Anlageexperte, der den Begriff des «New Normal» geprägt hat, weshalb wachsende Inflationserwartungen und höhere Zinsen die Stabilität der Finanzmärkte gefährden könnten. Zudem geht er auf die Konjunkturperspektiven für das laufende Jahr ein und sagt, wie er sich als Investor durch das anspruchsvolle Umfeld an den Börsen navigiert.

«Mit Ausnahme von Asien verlangsamt sich das Wachstum in den meisten Ländern, und in Europa droht eine Double-Dip-Rezession.»

«Mit Ausnahme von Asien verlangsamt sich das Wachstum in den meisten Ländern, und in Europa droht eine Double-Dip-Rezession.»

Bild: Bloomberg

Herr El-Erian, die Börsen sind nach der kräftigen Erholung im letzten Jahr anspruchsvoll bewertet. Was raten Sie Investoren, die ihr Geld in diesem Umfeld mit Umsicht und Vernunft anlegen wollen?

Weil Fundamentaldaten und Bewertungen so weit auseinanderdriften, ist das momentan nicht einfach. Die meisten Investoren verstehen, wie es zu dieser Abkopplung gekommen ist. Sie erkennen auch einen Weg, wie sich die Diskrepanz durch bessere Fundamentaldaten im Verlauf der nächsten Jahre verringern könnte. Das grosse Risiko besteht jedoch darin, was man auf der Reise dorthin macht.

Was meinen Sie damit?

Die Weltwirtschaft sieht ziemlich fragil aus. Mit Ausnahme von Asien verlangsamt sich das Wachstum in den meisten Ländern, und in Europa droht eine Double-Dip-Rezession. Das Grundproblem ist das Gleiche wie im letzten Frühjahr: Für die westlichen Volkswirtschaften ist es ausgesprochen schwierig, mit dem Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Gesundheit, wirtschaftlichen Interessen und individueller Freiheit optimal umzugehen; gleichgültig ob in den USA, in der Schweiz oder in einem anderen Land. Uns stehen deshalb noch einige ruppige Monate bevor, auch wenn Impfstoffe jetzt versprechen, dass wir ab einem gewissen Punkt Herdenimmunität erreichen.

Die Börsen blicken aber weiter nach vorne und zelebrieren bereits die Rückkehr zur Normalität. Zu Recht?

Seit sich die Märkte vom Tief am 23. März erholt haben, eilen sie von Rekord zu Rekord. Das Narrativ, mit dem die Kursavancen gerechtfertigt werden, ändert sich aber ständig. Vor der Pandemie hiess es, dass Trump die Wahlen gewinnen werde, was neue Steuerkürzungen und vorteilhafte regulatorische Rahmenbedingungen bedeute. Dann war vom politischen Patt in Washington die Rede, das staatliche Eingriffe verhindern würde. Als nächstes rückten die «blaue Welle» und massive Stimulusmassnahmen bei einem Wahlsieg der Demokraten in den Fokus. Jetzt sprechen alle vom Wiedererstarken der Wirtschaft. Das fortwährend wechselnde Narrativ zur Rekordjagd an den Börsen zeigt mir, dass die Kurse tatsächlich etwas ganz anderes reflektieren.

Worauf beruht die Rekordjagd also wirklich?

Bevor man als institutioneller Investor eine bedeutende Summe in eine Anlage steckt, stellt man sich nach der Analyse der Fundamentaldaten, der Bewertungen und verschiedener weiterer Faktoren immer die eine Frage: Wer ist der nächste Käufer nach mir? Wenn dieser Käufer eine Geldpresse im Keller hat und gewillt ist, diese auch einzusetzen, sich nicht um Bewertungen kümmert und nicht investiert, um Gewinne zu machen, dann gibt das enormes Vertrauen.

Heisst das, die Hausse basiert bloss auf der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken?

Während der Krise im vergangenen Frühjahr bestand kein Zweifel, dass das Federal Reserve und die Europäische Zentralbank zu umfangreichen und gut vorhersehbaren Injektionen von Liquidität greifen werden. Ebenso war klar, dass die Notenbanken kontinuierlich als Käufer ohne Limiten und Preisbedenken an den Märkten agieren werden. Deshalb markieren die Börsen einen Rekord nach dem anderen, obschon das Narrativ komplett gewechselt hat. Vergessen Sie den «Trump Trade», die «grosse Wiedereröffnung der Wirtschaft» und all die anderen Erklärungsversuche.

Wie lange kann das so weiter gehen?

Wir sind in ein ungesundes Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeiten gestolpert; Abhängigkeiten zwischen Zentralbanken und Investoren, zwischen Zentralbanken und Politikern sowie zwischen Zentralbanken und Emittenten von Schulden, namentlich Regierungen und Unternehmen. Es ist wie in einer schlechten Ehe: Man ist trotz allem aufeinander angewiesen und weiss nicht, wie man aus dieser Situation kommt. Jedes Mal, wenn die Zentralbanken aussteigen wollen, droht Chaos an den Märkten. Fed-Chef Jay Powell hatte es nach seinem Antritt versucht, musste dann aber Ende 2018 abrupt eine Kehrtwende vollziehen. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde probierte es. Doch als sie mit einem Kommentar einen Kurseinbruch am italienischen Bondmarkt provozierte, musste sie bereits einen Tag später zurückbuchstabieren.

Was hat das letztlich für Konsequenzen?

Die Zentralbanken verstehen nur ungenügend, wie verantwortungslos derzeit Risiken eingegangen werden. Der vormalige Fed-Chef Ben Bernanke sagte stets, dass die unkonventionelle Geldpolitik mit Vorteilen, Kosten und Risiken verbunden ist. Er fügte dabei hinzu, dass der Nutzen sinkt und die Kosten sowie Risiken steigen, je länger solche Interventionen dauern. Bernanke äusserte diese Bedenken vor zehn Jahren. Die unkonventionelle Geldpolitik sollte seinerzeit als Brücke zur Erholung der Konjunktur dienen. Inzwischen ist sie zum Reiseziel geworden.

Was sind die Auswirkungen davon?

Es gibt eine Fülle von Belegen dafür, dass der wirtschaftliche Nutzen gering ist, während die Kosten verantwortungsloses Risikoverhalten, soziale Ungleichheit, Fehlallokationen von Ressourcen und Marktverzerrungen wie negative Zinsen umfassen. Trotzdem weiss niemand, wie man das Problem lösen soll. Wenn die Zentralbanken nur schon andeuten, die Geldpolitik zu normalisieren, geraten die Märkte in Panik.

Bedeutet das, Investoren können eigentlich gar nichts falsch machen, weil die Zentralbanken sie im Ernstfall immer retten werden?

Es kommt darauf an. Klar ist, dass Zentralbanken bestimmte Wertschriften wie Staatsschulden und Unternehmenskredite mit Anlagequalität kaufen. Das Fed und die EZB kaufen sogar Hochzinsanleihen bzw. Bonds von Ländern der europäischen Peripherie. Diese Anlagen stehen unter einem starken Schutzschirm der Geldpolitik, und wer sich unter ihm bewegt, wird gut fahren. Investoren sind jedoch naturgemäss gierig. In ihrer Wahrnehmung haben sie den Schutzschirm auf andere Anlagen ausgedehnt, etwa Schulden aus aufstrebenden Märkten. Je weiter man sich vom Schutzschirm entfernt, desto grösser ist aber die Gefahr von Zahlungsausfällen – und gegen dieses Risiko können Zentralbanken nicht schützen. Anders gesagt: Als Investor erscheint es vernünftig, weiterhin auf die Geldpolitik zu setzen. Die hohen Bewertungen ermuntern jedoch dazu, immer unvorsichtiger zu handeln. Das wird dieses Jahr der schwierigste Balanceakt sein.

Immer mehr Signale deuten darauf hin, dass die Inflation dieses Jahr zurückkommt. Wie würden die Märkte auf ein solches Szenario reagieren?

Eine Entwicklung, die bislang weitgehend ignoriert wird, ist die steigende Zinskurve. Die wachsende Renditedifferenz zwischen lang- und kurzfristigen US-Staatsanleihen bringt das Fed in eine heikle Lage, denn sie gefährdet die Stabilität der Finanzmärkte. Wenn die US-Notenbank diesen Trend stoppen will, muss sie zur Kontrolle der Zinskurve greifen. Das wäre jedoch ein enormer Schritt, der den Markt für Staatsanleihen völlig verzerren würde. Es lohnt sich, diese Entwicklung gut im Auge zu behalten, denn wir nähern uns hier gefährlichem Terrain.

Diese Woche ist die Rendite auf zehnjährige Treasuries erstmals seit letztem März auf über 1% gestiegen. Was steckt hinter dieser Entwicklung?

Die Märkte reagieren empfindlicher auf das Risiko von Inflation. Wir haben bisher eine Phase mit ausgeprägter Disinflation erlebt. Massgeblich verantwortlich für den stetigen Preisdruck war ein Trend, den ich als Effekt von Amazon, Google und Uber bezeichne: Amazon macht es möglich, Zwischenhändler auszuschalten, was die Preismacht von Anbietern verringert. Ähnlich ist es mit Google, denn Abfragen übers Internet machen uns zu klügeren und preisbewussteren Konsumenten. Uber steht für den Trend, Wirtschaftsgüter wie Autos effizienter zu nutzen. Dadurch erhöht sich das Angebot, was Preiserhöhungen ebenfalls begrenzt.

Und weshalb sollten sich diese Trends jetzt ändern?

Bisher galt die Annahme, dass diese deflationären Kräfte immer wieder neue Wirkung entfalten. Wegen des steigenden Regulierungsdrucks auf grosse Tech-Konzerne und anderer Faktoren steht das nun aber in Frage. Das Fed und die Finanzmärkte könnten daher mit folgendem Albtraum konfrontiert werden: Deflationäre Trends auf der Angebotsseite nehmen ab, während der Verbrauch anzieht und sich inflationäre Kräfte auf der Nachfrageseite verstärken. Es scheint, dass die Märkte beginnen, sich auf ein solches Szenario einzustellen.

Letzten Herbst hat das Fed ein Überschiessen der Inflation de facto zum neuen Ziel der Geldpolitik erklärt. Wie hoch können die Zinsen steigen, bis die Währungshüter nervös werden und intervenieren?

Das ist schwierig zu sagen. Offensichtlich ist aber, dass sich das Fed extrem davor fürchtet, seinen Einfluss auf die Märkte zu verlieren. Es scheitert seit Jahren daran, sein Inflationsziel von 2% zu erreichen. Dass es nun trotzdem eine höhere Teuerung anstrebt, ergibt keinen Sinn. Es verdeutlicht aber, dass die US-Notenbank in einem ausgesprochen schwierigen Dilemma steck. Auch die Schweizerische Nationalbank befindet sich in einer ähnlichen Klemme. Sie agiert im äusseren Einflussbereich der EZB, was alles andere als einfach ist.

Das US-Schatzamt hat die Schweiz vor wenigen Wochen als Währungsmanipulator eingestuft. Ist diese Abmahnung gerechtfertigt?

Diese Nachricht hat mich überrascht. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die USA sich zu dieser Massnahme entschieden haben. Die Schweiz hat keine andere Wahl, als auf das geldpolitische Regime der EZB zu reagieren. Das drängt die SNB in eine unmögliche Situation, denn sie hat praktisch keinen Handlungsspielraum.

Hat das Verdikt aus Washington ernsthafte Folgen?

Die Frage ist, ob diese Anschuldigung für politischen Druck in anderen Bereichen eingesetzt wird. Ich kenne die Antwort nicht. Es gibt aber diverse Reibungsflächen, bei denen die USA Druck auf die Schweiz ausüben könnten, etwa eine Reform des Bankensektors. Die Trump-Regierung hat klar ihre Bereitschaft dazu demonstriert, Tarife und Investment-Sanktionen für Ziele nutzen, die nichts mit Wirtschaft zu tun haben. Ob die Biden-Administration ähnlich vorgehen wird, kann ich nicht sagen. Ich denke aber, das Risiko ist weniger gross. Wenn Trump vier weitere Jahre im Amt wäre, würde ich mir um die Schweiz erheblich mehr Sorgen machen.

Unter Trump hat sich der Konflikt zwischen den USA und China deutlich verschärft. Anders als vor einem Jahr steht China heute wirtschaftlich aber besser da als Amerika. Wie geht es 2021 in diesem globalen Kräftemessen weiter?

Die Erholung der Wirtschaft ist wie ein Marathon, bei dem China nach den ersten Kilometern weit führt. Der Grund dafür ist, dass sich Peking nicht gross um individuelle Freiheitsrechte kümmern muss. Zudem besteht in anderen asiatischen Volkswirtschaften wie Südkorea oder Taiwan ein kollektives Verantwortungsbewusstsein. Das fehlt in Europa und in den USA. Es überrascht deshalb nicht, dass China in diesem Wettlauf viel schneller unterwegs ist.

Ein Marathon ist aber eine Ausdauerdisziplin. Am Schluss gewinnt, wer seine Kräfte am besten einteilt. Ist denkbar, dass China unterwegs die Puste ausgeht?

Das Problem im Umfeld der Pandemie besteht darin, dass ein langsameres Tempo mehr tödliche Erkrankungen bedeutet. Andererseits konnte China in der Vergangenheit vom Wachstum der Weltwirtschaft profitieren. 2020 war das nicht möglich, und es wird auch für den grössten Teil dieses Jahres nicht möglich sein. Deshalb wird China die Kadenz nur dann hochhalten können, wenn es Reformen beschleunigt. Je länger der Marathon geht, desto schwieriger wird es damit, den Vorsprung zu verteidigen. Viele Ökonomen extrapolieren einfach Chinas Wachstum aus der Vergangenheit und prognostizieren, dass es 2035 zur grössten Volkswirtschaft aufsteigt. Ich wäre mit solchen Vorhersagen vorsichtig.

Wo sehen Sie vor diesem Hintergrund Chancen für Investoren?

Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich froh, dass ich nicht mehr das Geld anderer Leute bewirtschafte. Sonst würde ich mich sehr taktisch verhalten: Ich würde versuchen, diese Welle von Liquidität wie ein Surfer so lange wie möglich zu reiten. Das im Wissen, dass die Liquidität irgendwann abklingt. Ich würde all die anderen Surfer genau beobachten, die auf der gleichen Welle reiten, und mich fragen, was passiert, wenn wir einander in die Quere kommen oder die Welle einbricht. Ich wäre also sehr nervös.

Wie verhalten Sie sich denn jetzt?

Ich teile Investments immer in drei Schichten ein. Früher waren die ersten zwei Schichten gross und die dritte klein. Heute ist es umgekehrt: Die ersten zwei Schichten sind klein und die dritte gross. Die erste Schicht besteht aus Positionen, die langfristig Potenzial versprechen, beispielsweise Engagements im Bereich Technologie oder Anleihen von Schwellenländern. Hier lassen die hohen Bewertungen inzwischen jedoch kaum mehr Chancen zu. Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Schicht, die struktureller Natur ist: bestimmte Segmente, in denen der Markt mangelhaft funktioniert. Ein Beispiel dafür waren lange Zeit inflationsgeschützte Anleihen, weil viele Investoren sie nicht recht verstanden. Auch hier ist das Potenzial weitgehend ausgeschöpft.

Und wie sieht es mit der dritten Schicht aus?

Die dritte Schicht ist taktisch. Wie viele andere Investoren verhalte ich mich heute viel opportunistischer, bin dabei aber sehr vorsichtig. Im Prinzip bin ich ein Investor, dem nicht richtig wohl bei der Sache ist – und das bremst leider die Performance. Zum Beispiel nutze ich zur Absicherung des Portfolios nicht mehr US-Staatsanleihen, sondern Cash. Das, weil bei Laufzeiten ab drei oder vier Jahren die Gefahr von höheren Zinsen respektive sinkenden Preisen beträchtlich ist. Die Welt hat sich völlig verändert.

Finden Sie überhaupt noch attraktive Engagements?

Wenn man sich ausserhalb des Schutzschirms der Zentralbanken bewegt, muss man mit einer detaillierten Analyse sicherstellen, dass ein Investment andere Arten von Widerstandsfähigkeit bietet. Ich fokussiere mich speziell auf die Bilanz; die Fähigkeit eines Unternehmens, sich durch eine Liquiditätskrise steuern zu können. Das ist ausgesprochen wichtig, denn im Unternehmenssektor spielt sich ein gewaltiger Kreditexzess ab. Deshalb muss man mit einer sorgfältigen Analyse prüfen, wie sich die Verschuldung einer Firma genau zusammensetzt. Das ist der erste wichtige Schritt.

Was ist der nächste Schritt?

Man muss ebenso verstehen, wie sich Liquidität verhält: antizipieren, wie sich andere Investoren verhalten werden. Ich habe beispielsweise kein spezifisches Verständnis von Bitcoin. Als der Preis im März unter 5000 $ fiel, war mir aber klar, dass dafür rein technische Faktoren verantwortlich waren: Viele Leute hatten Bitcoin aus falschen Gründen gekauft und wurden aus dem Markt gespült. Später veräusserte ich meine Position bei 19’000 $, weil mir nicht mehr wohl war. Heute handelt Bitcoin über 36’000 $. Ich stieg also viel zu früh aus, kann mit diesem Fehler aber leben. Was ich damit sagen will: Man muss sich im Klaren darüber sein, welche Liquiditätsrisiken man eingehen will und welche nicht. Viele Investoren glauben aber, dass die Liquiditätswelle immer anhalten wird.

In welchen Bereichen sehen Sie diesbezüglich ebenfalls ein Risiko?

Bei Hochzinsanleihen. Die Mentalität der Märkte ist durch eine relative Perspektive geprägt. Es ist, wie wenn man eine Katze für 30’000 $ kauft und das für einen super Deal hält, weil der Hund in der gleichen Tierhandlung 50’000 $ kostet. Wenn man nur in Relationen denkt, verliert man den Bezug zu den Fundamentaldaten. Griechenland ist ein gutes Exempel: Investoren kaufen griechische Staatsanleihen mit negativen Zinsen, weil sie mehr rentieren als deutsche Bundesanleihen. Das, obschon sie bei einer negativen Rendite für das Risiko in Griechenland nicht kompensiert werden. Liquidität kann dazu führen, dass Investments völlig falsch bewertet werden. Umso härter ist die Realität, wenn die Mentalität an den Märkten wechselt und Preise plötzlich nicht mehr relativ, sondern absolut betrachtet werden.

Mohamed El-Erian

Mohamed El-Erian gehört zu den einflussreichsten Vordenkern, wenn es um Wirtschaft und Finanzmärkte geht. Seine Perspektive wird in der Investmentbranche hoch geschätzt. Gut vertraut ist er auch mit der politischen Landschaft. So stand er bis Anfang 2017 dem globalen Entwicklungsrat von Präsident Barack Obama vor. Auch war sein Name als Kandidat für den Posten des Vizechefs der US-Notenbank im Gespräch. Seine berufliche Laufbahn begann der Sohn eines ägyptischen Diplomaten beim Internationalen Währungsfonds, wonach er beim Broker Salomon Smith Barney in London arbeitete und später das Stiftungsvermögen der Universität Harvard verwaltete. Von 2007 bis 2014 leitete er das operative Geschäft des US-Bondriesen Pimco, der zur Allianz-Gruppe gehört. Mit Pimco-Gründer Bill Gross war er dort zudem als Co-Chief Investment Officer tätig. Der 62-Jährige hat an der Universität Oxford den Doktorgrad in Ökonomie erworben und diverse Bestseller veröffentlicht; der letzte ist 2016 mit dem Titel «Aufstieg und Fall der Zentralbanken» erschienen. El-Erian reist gerne und lebt mit seiner Familie in Südkalifornien. Seit Oktober leitet er das Präsidium des Queens' College an der University of Cambridge.
Mohamed El-Erian gehört zu den einflussreichsten Vordenkern, wenn es um Wirtschaft und Finanzmärkte geht. Seine Perspektive wird in der Investmentbranche hoch geschätzt. Gut vertraut ist er auch mit der politischen Landschaft. So stand er bis Anfang 2017 dem globalen Entwicklungsrat von Präsident Barack Obama vor. Auch war sein Name als Kandidat für den Posten des Vizechefs der US-Notenbank im Gespräch. Seine berufliche Laufbahn begann der Sohn eines ägyptischen Diplomaten beim Internationalen Währungsfonds, wonach er beim Broker Salomon Smith Barney in London arbeitete und später das Stiftungsvermögen der Universität Harvard verwaltete. Von 2007 bis 2014 leitete er das operative Geschäft des US-Bondriesen Pimco, der zur Allianz-Gruppe gehört. Mit Pimco-Gründer Bill Gross war er dort zudem als Co-Chief Investment Officer tätig. Der 62-Jährige hat an der Universität Oxford den Doktorgrad in Ökonomie erworben und diverse Bestseller veröffentlicht; der letzte ist 2016 mit dem Titel «Aufstieg und Fall der Zentralbanken» erschienen. El-Erian reist gerne und lebt mit seiner Familie in Südkalifornien. Seit Oktober leitet er das Präsidium des Queens' College an der University of Cambridge.