Meinung

Der Dollar und der Euro: Verwechseln wir nicht Wechselkurse und Status

Das Auf und Ab der G-7-Währungen am Devisenmarkt wird gerne mit ihrem weltweiten Einfluss verwechselt. Doch diese Valuten neigen hauptsächlich wegen der hohen Inflation und der lange zögerlichen Geldpolitik der Notenbanken zur Schwäche.

Myret Zaki
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Vor fünfzehn Jahren konnte man 1 Dollar für 0,64 Euro kaufen. Heute benötigt man dafür fast doppelt so viele Euro. Man braucht auch doppelt so viele Pfund. Euro und Pfund haben sich also in den letzten zehn Jahren zum Dollar abgewertet. Bedeutet das, dass sie ihren internationalen Status schneller verlieren als der Dollar? Das wäre eine voreilige Schlussfolgerung.

Die Menschen neigen dazu, die Stärke des Wechselkurses einer Währung mit ihrem internationalen Status zu verwechseln. Wenn etwa der Dollar an Wert gewinnt, setzen Kommentatoren seine «Stärke» mit «Dominanz» gleich und geben den USA die volle Anerkennung. Wenn der Euro oder das Pfund abwerten, setzen sie ihren «Zusammenbruch» mit ihrem «Ende» gleich, und die Analyse fällt einseitig negativ für das entsprechende Land aus.

Das ist natürlich falsch. Während der Wechselkurs eine zyklische Angelegenheit ist, ist der internationale Status einer Währung ein Prozess, der sich über Jahrzehnte erstreckt. Das mag selbstverständlich klingen, aber wir sehen diese Verwirrung jeden Tag, besonders in Zeiten hoher Währungsvolatilität. Ich höre oft den Satz: «Sehen Sie, Sie haben 2011 das ‹Ende des Dollars› veröffentlicht, und jetzt schiesst er durch die Decke». Aber das Ende des Dollars als Referenzwährung hat wenig mit seinem aktuellen Wechselkurs zu tun.

Eher eine Notwendigkeit als eine Wahl

Die starke Aufwertung des Dollars in diesem Jahr wurde als Beweis dafür gesehen, dass der Greenback der ultimative sichere Hafen ist. Es geht jedoch um die Zinsen. Die Aufwertung des Dollars ist eher eine Notwendigkeit als eine Entscheidung. In Washington gibt es keine konkrete Absicht, den Dollar zu stärken. Das Weisse Haus hat es vielmehr seit Jahrzehnten vorgezogen, einen schwachen Dollar beizubehalten.

Zwar mildert der derzeitige Anstieg des Dollars den Inflationsdruck für die Regierung Biden, da er die Kaufkraft der Amerikaner im Ausland erhöht. Aber er verschlechtert auch die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Exporteure und erhöht die Zinslast auf die US-Staatsschulden im Umfang von 31 Bio. $ um ein Vielfaches.

Die Dollarstärke ist vor allem auf den Schock zurückzuführen, den die Unterbrechung der quantitativen Lockerung auslöst. Das Ende einer dauerhaften und massiven Abwertungspolitik löst ein Comeback der betroffenen Währung aus. Ein weiteres Schlüsselelement ist, dass der Dollar vor allem gegenüber den Währungen der Industrie- und weniger gegenüber den Währungen der Schwellenländer gestiegen ist, da die Zinsen der zentrale Faktor sind. «In Wirklichkeit ist ein Grossteil des Schmerzes im Vereinigten Königreich und in Europa zu spüren, während Länder wie Brasilien und Mexiko sehen, dass ihre Währungen Investoren mit saftigen Renditen locken - das ist das Ergebnis von Leitzinserhöhungen, die weltweit zu den aggressivsten gehören», berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg.

In der Tat haben einige Schwellenländer-Zentralbanken bereits Mitte 2021 mit Zinserhöhungen begonnen, ihre Währungen werden nun dafür belohnt. Einige bieten einen viel höheren Carry als die G-7-Währungen, wie z. B. 4,25% in Indonesien oder 13% in Brasilien. Daher ist es irreführend, generell vom Anstieg des Dollars zu sprechen. Wir müssen genau wissen, gegenüber welchen Währungen der Dollar stärker geworden ist. Der Dollar ist gegenüber denjenigen Währungen gestiegen, deren Zinssätze nach wie vor sehr viel niedriger sind (wie etwa dem Euro). Wie so oft spiegelt der Wechselkurs die Zinsdifferenz:

Übertriebene Berichte über den Tod des Euro

Der Rückgang des Euro zum Dollar um 13% in diesem Jahr wirft jedoch längerfristige, allgemeinere Überlegungen zu seinem Status auf. Analysten zufolge ist dieses Jahr «das schlechteste in der Geschichte des Euro». Ist dieser Rückgang nicht ein Zeichen, dass die Einheitswährung früher oder später auseinanderbricht?

Im Allgemeinen sind die Berichte über den Tod des Euro stark übertrieben, um es mit Mark Twain zu sagen. Wie bereits erwähnt, werden verschiedene Aspekte vermischt. Eine wichtige Währung kann an Wert verlieren, weil ihre Zentralbank die Leitzinsen schneller senkt als ihre Konkurrenten oder sie langsamer anhebt. Dies bedeutet nicht direkt einen Verlust der Vorherrschaft.

Die Währung eines kleinen Landes kann aufgrund einer stabilen politischen Lage sehr stark sein, ohne jedoch dominant zu werden. Der kuwaitische Dinar ist zusammen mit dem Cayman-Dollar und dem Pfund von Gibraltar die stärkste Währung der Welt. Geopolitisch nicht dominante Währungen wie der Franken können langfristig sehr stark bleiben, aber das sagt nicht viel über ihren Einfluss oder ihren globalen Marktanteil aus.

Die Inflation ist der wahre Kampf

Es lässt sich natürlich nicht leugnen, dass eine langfristige Abwertung dazu führt, dass eine Währung in den Bilanzen der Zentralbanken relativ weniger Gewicht hat und als Reservewährung an Attraktivität einbüsst. Dies ist beim Dollar der Fall, dessen Anteil an den offiziellen Reserven von 70% auf 59% gesunken ist.

Auch der Euro ist von 25% auf 20,6% der offiziellen Reserven zurückgegangen. Dies hat jedoch nicht viel mit dem Wechselkurs zu tun, zu dem Dollar oder Euro zu einem bestimmten Zeitpunkt gehandelt werden. Es hat vielmehr mit den längerfristigen Trends und der zunehmend ernstzunehmenden Alternative des chinesischen Renminbi zu tun, dessen Anteil in den Tresoren der Zentralbanken gestiegen ist.

Die wahre Gefahr für die G-7-Währungen wäre, wenn die Inflation trotz der Massnahmen der Zentralbanken die Schlacht gewinnt. Eine hartnäckige Inflation hat die mächtigsten Währungen im Laufe der Zeit vernichtet. Die Wahrheit darüber, wie die G-7-Währungen ihren Status halten, wird sich am Ende des Inflationsbekämpfungsprozesses herausstellen. Es gibt keine Garantie, dass diese Schlacht mit den überfälligen Zinserhöhungen, die wir heute in den Industrieländern erleben, gewonnen werden kann. Wenn die Inflation am Ende des Zinsstraffungszyklus nicht deutlich zurückgeht, bedeutet dies, dass die quantitative Lockerung einen zu hohen Preis hatte. Und dass diese Politik nicht nur zu niedrigeren Wechselkursen geführt hat, sondern auch zu einem Statusverlust der G-7-Währungen.

Myret Zaki

Myret Zaki begann 1997 als Analystin in einer Genfer Privatbank, wo sie die Grundlagen der Unternehmensanalyse erlernte. 2001 wechselte sie zur Tageszeitung «Le Temps», wo sie neun Jahre lang den Finanzbereich leitete. Als die Finanzkrise 2008 ausbrach, schrieb sie das investigative Buch «UBS am Rande des Abgrunds», für das sie den Schweizer Journalistenpreis erhielt. 2010 wechselte sie zu «Bilan»; von 2014 bis 2019 war Zaki Chefredakteurin der Zeitschrift. Zwischen 2010 und 2016 schrieb sie drei weitere Bestseller über das Bankgeheimnis, das Ende des Dollar-Reserve-Status und den Aufstieg des Schattenbankensystems. Zaki hat einen Bachelor in Politikwissenschaft von der American University in Kairo und einen MBA von der Business School of Lausanne. Heute ist sie Leiterin der Fakultät für Kommunikation an der Hochschule für Journalismus und Medien in Lausanne.
Myret Zaki begann 1997 als Analystin in einer Genfer Privatbank, wo sie die Grundlagen der Unternehmensanalyse erlernte. 2001 wechselte sie zur Tageszeitung «Le Temps», wo sie neun Jahre lang den Finanzbereich leitete. Als die Finanzkrise 2008 ausbrach, schrieb sie das investigative Buch «UBS am Rande des Abgrunds», für das sie den Schweizer Journalistenpreis erhielt. 2010 wechselte sie zu «Bilan»; von 2014 bis 2019 war Zaki Chefredakteurin der Zeitschrift. Zwischen 2010 und 2016 schrieb sie drei weitere Bestseller über das Bankgeheimnis, das Ende des Dollar-Reserve-Status und den Aufstieg des Schattenbankensystems. Zaki hat einen Bachelor in Politikwissenschaft von der American University in Kairo und einen MBA von der Business School of Lausanne. Heute ist sie Leiterin der Fakultät für Kommunikation an der Hochschule für Journalismus und Medien in Lausanne.