Zombie-Wirtschaften, -Unternehmen und -Märkte: Das sind die Konsequenzen der zu hohen Liquidität. Exzessive Stimulus-Programme behindern das Wachstum und begünstigen die Stagnation. Eine Rezession oder eine Krise könnten die Folgen sein.
Wo zum Teufel ist das ganze Wachstum geblieben, fragen sich viele. Und wie kommt es zu einer solchen Diskrepanz zwischen den steigenden Vermögenspreisen und der düsteren makroökonomischen Realität?
Contrarians, Anleiheneigner und Fed-Kritiker befassen sich in letzter Zeit intensiv mit dem Thema, insbesondere seit Quantitative Easing 4 - die neue Liquiditätsspritze des Fed, die im September gestartet ist - sich zu einer dauerhaften Massnahme entwickelt hat
Die einst konträre Sichtweise ist mehrheitsfähig geworden. Das Wachstum verlangsamt sich in den Industrieländern trotz eines Jahrzehnts ununterbrochener Impulse der Zentralbanken. Das Problem ist: Wir haben die Wirkung mit der Ursache verwechselt.
Die Zentralbankenliquidität ist nicht das Heilmittel: Sie ist die Ursache für die Verlangsamung. Sie hat unprofitable Banken und Unternehmen am Leben erhalten, die nicht mehr existieren sollten. «Es herrscht eine Auferstehung der Toten an Wallstreet. Zombies sind überall», schreibt der US-amerikanische Wirtschaftwissenschaftler, Goldenthusiast und Fed-Kritiker Peter Schiff auf Schiffgold.com.
Die Zahl der neu an den US-Börsen kotierten Unternehmen (IPO), die Geld verlieren, ist laut Wall Street Journal auf ein Niveau gestiegen, das seit der Dot-Com-Blase nicht mehr gesehen wurde. Fast 40% der an den US-Börsen kotierten Unternehmen verlieren Geld, insbesondere im Gesundheits- und Technologiesektor. 81% der neuen Börsenkandidaten sind unprofitabel, das entspricht genau dem Stand zum Höhepunkt der Technologie-Blase von 2000.
Wir leben in einer «Zombie-Wirtschaft», die den Reinigungsprozess des freien Marktes ausser Kraft setzt, schreibt der finnische Wirtschaftwissenschaftler Tuomas Malinen, CEO von GnS Economics und Lehrbeauftragter der Universität Helsinki. Entspringt dieses «Zombie»-Gerede bloss der Phantasie einiger Ökonomen? Natürlich nicht.
Leichtes Geld und Rettungspakete der Regierungen haben das verhindert, was Malinen den «kreativen Zerstörungsprozess» nennt. Er ist der wichtigste Wachstumsmotor. Doch er setzt voraus, dass alte, ineffiziente Firmen scheitern können, und dass neue, effizientere Firmen ihren Platz einnehmen. Aber das ist nicht mehr der Fall, da das billige Geld selbst notleidende Unternehmen am Leben erhält.
Ein weiterer wichtiger Wachstumsmotor sind Marktpreise: In den letzten 200 Jahren basierte das westliche Wirtschaftswachstum auf freien Preisen. Haushalte, Investoren und Unternehmen setzten die Preise für Produkte, Dienstleistungen, Zinssätze und Finanzanlagen. Jetzt sind die Zentralbanken und Regierungen an die Stelle der Märkte getreten und intervenieren mit dem Ziel, die Preise zu steuern, bemerkt Steen Jakobsen, Chefökonom der Saxo Bank.
Wenn ineffiziente «Zombie»-Banken Kredite vergeben, um das Wachstum ineffizienter «Zombie»-Unternehmen zu fördern, führt dies zu einer Stagnation der Produktivität. Das ist seit 2011 Fall:
Da das Produktivitätswachstum stagnierte, brauchte es etwas anderes, um das Wachstum zu fördern: Das waren Kredite. Die weltweite Verschuldung liegt heute bei über 250 Billionen Dollar, was 320% des weltweiten BIP entspricht.
Die Liquidität der Zentralbanken und die übermässige Kreditaufnahme verdecken die tatsächlichen Leistungen der Unternehmen und verzerren die Bewertungen an den Aktienmärkten. Zinssenkungen und Fed-Liquiditätsspritzen in Milliardenhöhe haben die Marktindizes in beispiellose Höhen getrieben.
Die Marktbewertungen sind jetzt dreimal so hoch wie im Schnitt: «Das höchste jemals am Ende eines Börsenzyklus beobachtete Bewertungsniveau wurde im Oktober 2002 erreicht, und selbst dieses Niveau ist weniger als die Hälfte des gegenwärtigen Bewertungsextrems», schreibt John Hussman, Präsident von Hussman Investment Trust in einem Marktkommentar. Die Bewertungen haben wenig mit den Fundamentaldaten zu tun und spiegeln lediglich die Liquidität des Fed wider. Die Diskrepanz ist von historischem Ausmass, wie folgende Grafik illustriert:
Wohin steuern nun die Märkte? Ins Zombieland. In Davos sagte Bob Prince von Bridgewater Associates «das Ende des Boom- und Crash-Zyklus» voraus, was bedeutet, dass das Fed weder die Zinsen senken und einen Boom auslösen kann (sie sind bereits auf dem Weg nach unten), noch die Zinsen erhöhen und einen Konjunktureinbruch auslösen kann. Die Märkte dürften sich so in naher Zukunft «zombieartig» seitwärts bewegen.
Noch beunruhigender ist, dass die Refinanzierung von Schulden zur wichtigsten finanziellen Aktivität geworden ist, schreibt Michael Howell, Geschäftsführer von CrossBorder Capital, in der «Financial Times». Die Liquidität hat sich nicht nur durch das traditionelle Bankensystem, sondern vor allem durch die Repo- und Swap-Märkte ausgeweitet. Sie sind zum Herzstück des globalen Kreditsystems geworden. Sie sind die wichtigsten kurzfristigen Kreditgeber für Unternehmen und Institutionen (Hedge Funds, Derivate-Händler, Vermögensverwalter und Staatsfonds), die gegen Sicherheiten (Staatsanleihen, Anleihen erstklassiger Unternehmen oder Devisenreserven) Kredite aufnehmen.
Die Kreditvergabe erfolgt in Form von Rückkaufvereinbarungen (Repos) und besicherten Geldmarktpapieren (ABCP). Diese kurzfristigen, spekulativen Schulden werden auf 30 Billionen Dollar geschätzt und sind laut CrossBorder Capital größer als das Bankensystem. Die riesigen bestehenden Positionen, die sich immer weiter erhöhen, müssen ständig refinanziert werden, was das System stark belastet und davon abhängig macht, dass die Zinsen niedrig bleiben.
Das Risiko ist so gross, dass die Zentralbanken ständig Liquidität bereitstellen und die Finanzierungkapazität des Systems überwachen müssen. Die US-Zentralbank hat gerade weitere 400 Milliarden Dollar in den Finanzsektor gepumpt.
Wir befinden uns in einer Spirale, der immer mehr Liquidität zugeführt werden muss, um die Refinanzierung der weltweiten Schulden am Laufen zu halten. «Quantitative Lockerung ist hier, um zu bleiben», schreibt Michael Howell. «Es ist mit QE5, QE6, QE7 und so weiter zu rechnen». Auch er warnt davor, dass liquiditätsgetriebene Märkte in der Regel übel enden, wie dies 1974, 1987, 1989, 2000 und 2008 der Fall war.
Das heutige Liquiditätsrisiko ist sogar noch grösser als in allen früheren Fällen. Die «Zombie»-Krise könnte bereits am 16. September 2019 begonnen haben, als der Repo-Markt in die Luft flog, twitterte der Ökonom Malinen am 21. Januar.
Die Stimmen der ewigen Pessimisten und derer, die jetzt düstere Prognosen abgeben, können nicht mehr ignoriert werden.