Die letzte Zivilklage des Swissair-Liquidators endet vor Bundesgericht mit einem Freispruch für die Verantwortlichen der Airline. Die gescheiterte Klage-Offensive hat die Gläubiger Millionen gekostet.
Die Meldung schaffte es in den Medien vergangene Woche kaum in die Schlagzeilen: Am 29. November teilte das Bundesgericht mit, die vom Zürcher Handelsgericht beschlossene Abweisung einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage gegen 14 ehemalige Führungspersonen der SAirGroup sei nicht zu beanstanden.
Das ist der Anfang vom Ende einer bald zwanzigjährigen Saga. Denn mit dem Entscheid des Bundesgerichts ist die letzte in einer Reihe von Verantwortlichkeitsklagen, die der Swissair-Liquidator Karl Wüthrich gegen ehemalige Manager und Verwaltungsratsmitglieder des 2001 kollabierten SAirGroup-Konzerns angestrengt hatte, rechtsgültig abgelehnt worden.
Mehr als 18 Jahre nach dem Grounding der Swissair und mehr als 12 Jahre nach dem Freispruch der Verantwortlichen im Strafprozess vor dem Bezirksgericht Bülach wird Wüthrich nun bald einen Schlussstrich unter seine Liquidationsarbeit ziehen können.
Ein Urteil kann jetzt schon gefällt werden: Die Strategie Wüthrichs, frühere Swissair-Manager und VR-Mitglieder wie Philippe Bruggisser, Mario Corti, Jacqualyn Fouse, Thomas Schmidheiny oder Vreni Spoerry mit aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklagen einzudecken, endete im Fiasko.
Insgesamt sechs derartige Verantwortlichkeitsklagen strengte Wüthrich im Namen der konkursiten Gesellschaften SAirGroup, Flightlease und Swissair an – und alle sechs endeten nach mehrjährigen Prozessen mit einer vollumfänglichen Abweisung vor Gericht. In vier der sechs Fälle wurde die Klage bis vor Bundesgericht gezogen.
Für die Gläubiger der jeweiligen Gesellschaften war das ein teures Experiment. Die sechs Klagen verursachten gemäss Berechnungen von The Market Gerichtsgebühren von kumuliert etwas über 14 Mio. Fr. sowie Prozessentschädigungen für die Anwaltskosten der beklagten Einzelpersonen in Gesamthöhe von knapp 37 Mio. Fr.
Insgesamt musste die Gläubigermasse der in Liquidation stehenden Gesellschaften also knapp 51 Mio. Fr. für die erfolglosen Verantwortlichkeitsklagen berappen. Darin nicht einmal eingerechnet sind die Anwaltskosten der klagenden Parteien. Diese gehen ebenfalls in die Millionen, werden aber vom Liquidator Karl Wüthrich nicht ausgewiesen.
Man mag sich fragen, was Wüthrich und seine Kollegen in den Gläubigerausschüssen der betreffenden Gesellschaften veranlasst hat, eine Verantwortlichkeitsklage nach der anderen weiterzuziehen – bloss um jedes Mal von Neuem auf die Nase zu fallen.
Zu Beginn war gewiss ein Element des öffentlichen Drucks im Spiel: Nach dem Freispruch der Swissair-Verantwortlichen im Strafprozess in Bülach im Juni 2007 hatten zahlreiche Medien gefordert, Wüthrich müsse die Manager nun auf dem zivilen Prozessweg zur Verantwortung ziehen. Zudem konnte sich Wüthrich stets darauf berufen, es sei seine Aufgabe als Liquidator, immerhin zu versuchen, von den früheren Managern und Verwaltungsräten eine Zahlung abzuringen.
Aber mit jedem Jahr, in dem sich die Verantwortlichkeitsprozesse hinzogen, kam ein weiteres Element ins Spiel, nämlich ein im Kern groteskes Anreizsystem: Wüthrich und die anderen Anwälte auf der Seite der Klägerinnen konnten eigentlich gar kein Interesse an einem raschen Abschluss ihrer Arbeiten haben, denn sie wurden aus der Gläubigermasse für ihre geleisteten Stunden bezahlt. In einer der Klagen, die bis vor Bundesgericht gelangten, war Wüthrich selbst der prozessierende Anwalt. In anderen Fällen waren es Anwälte, die im Gläubigerausschuss der klagenden Gesellschaften sassen.
In einem normalen Zivilprozess muss sich der Kläger jeweils sehr gut überlegen, bis zu welcher Instanz er gehen will, denn die Kosten einer Niederlage können in Form von Gerichtsgebühren und Prozessentschädigungen für die Gegenpartei sehr rasch sehr hoch werden. Dieses System verhindert allzu frivole Zivilklagen.
Doch dieses disziplinierende Korrektiv kam im Fall von Wüthrich und seinen Kollegen nie zum Zug, denn die Kosten ihrer Niederlagen trug stets – und ohne zu murren – die gesichtslose Gläubigermasse der kollabierten Gesellschaften SAirGroup, Flightlease und Swissair.
So bleibt am Ende, nach rund zehn Jahren mit Verantwortlichkeitsklagen vor Bezirks-, Handels-, Ober- und Bundesgericht und Zehntausenden von Anwaltsstunden die Erkenntnis, dass die damaligen Manager und VR-Mitglieder der Swissair-Gruppe zwar zweifellos unternehmerische Fehler begangen haben. Aktienrechtliche Pflichtverletzungen haben sie sich aber nicht zuschulden kommen lassen.
Diese Erkenntnis hat die Gläubiger der SAirGroup mehr als 50 Mio. Fr. gekostet.