Während die Börsen immer höher klettern, nehmen die globalen Herausforderungen zu. Dennoch halten wir an einem hohen Aktienanteil fest und haben die Schwäche der chinesischen Internetwerte zum Einstieg genutzt.
An den Börsen herrscht derzeit eitel Sonnenschein, obwohl die globalen Herausforderungen zunehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir auf einem Pulverfass leben. Das eine oder andere Risiko kann sich jederzeit auf kurze oder mittlere Sicht akzentuieren – mit den entsprechenden Folgen für die Börsenentwicklung. Das sollte man bei seiner Anlagepolitik immer im Hinterkopf behalten und nicht zu leichtsinnig werden.
Seit dem Frühjahr haben sich die Rahmenbedingungen an den Aktienmärkten erneut geändert. Rückläufige Inflationserwartungen und Zinsen haben den Wachstumswerten ihre alte Favoritenrolle zurückgebracht, während Value-Werte vernachlässigt werden. Auch die Edelmetalle und andere Rohstoffe haben sich deutlicher von ihren Hochs entfernt. Die Konjunkturerwartungen haben ihren Höhepunkt überschritten, die Einkaufsmanager-Indices (PMI) von hohem Niveau aus nach unten gedreht. Besonders hart hat es China getroffen, wo der China Manufacturing PMI von Caixin sogar unter die Wachstumsschwelle von 50 gerutscht ist. Wie geht es weiter?
Während die Börsen in den USA und Europa weiter zulegen konnten, kam es in Asien zu deutlichen Rücksetzern. So hat der Hang Seng China Enterprises Index seit dem Februarhoch in der Spitze mehr als 30% abgegeben (vgl. Grafik). Neue Corona-Ausbrüche, Unterbrechung von Lieferketten, schwächere Wirtschaftsdaten und insbesondere die unerwartete Regulierungsorgie der chinesischen Regierung haben zu dem Desaster geführt. Ausländische Anleger reagierten panikartig mit der Reduktion oder dem Verkauf chinesischer Holdings. Viele Experten erklären den Markt aufgrund fehlender Rechtssicherheit derzeit für uninvestierbar (uninvestable).
Man kann sich nicht vorstellen, dass den chinesischen Behörden nicht bewusst war, wie viel Schaden sie anrichten und wie viel Vertrauen sie zerstören. Zunächst einmal erscheint die Zerschlagung monopolartiger Strukturen und unerwünschter kapitalistischer Auswüchse ja durchaus sinnvoll. Die Wirtschaft soll den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Das rüde Vorgehen kann aber nur dadurch erklärt werden, dass man ausländische Anleger nicht mehr braucht.
Die Wertschöpfung der Wirtschaft soll mehr den Inländern zugutekommen. Also anders als bei uns, wo sich die Dax-Unternehmen überwiegend in ausländischer Hand befinden. Wir halten an unseren chinesischen Positionen fest, werden aber wahrscheinlich einen langen Atem brauchen. Mit unseren grössten Positionen Sinopharm und China Mobile liegen wir im Plus. Die massiven Kursrückgänge bei Alibaba, Tencent und Baidu haben wir zum Aufbau von Anfangspositionen genutzt – wahrscheinlich wieder einmal zu früh.
Im März haben wir auf die besonderen Chancen in Fernost hingewiesen (China, Südkorea, Taiwan, Japan, den Tigerstaaten). Daran hat sich nichts geändert. Wir liegen zwar kurzfristig nicht immer richtig, aber auf Sicht der nächsten zehn Jahre haben sich unsere Einschätzungen meist als treffsicher erwiesen.
Auch an unserem Goldanteil von 10% halten wir fest. Wie im August ausgeführt, rechnen wir nicht damit, dass sich die Inflation aufgrund der Basiseffekte wieder komplett auf das tiefe Niveau der letzten Jahre zurückbildet. Der Goldpreis hat in fast allen Börsengewittern der letzten fünfzig Jahre mehr oder weniger deutlich angezogen. Diese negative Korrelation macht das Edelmetall als Depotbaustein so wertvoll.
Anfang August haben wir wie angekündigt einen Inflation-Trade eingezogen. Inflationsgeschützte Anleihen (linker) mit fünf- und zehnjährigen Laufzeiten wurden gekauft, Bund- und Bobl-Futures im Gegenzug verkauft.
Warum wir einen relativen hohen Aktienanteil von 70% beibehalten, hat zwei Gründe. Erstens spricht das langfristige Kurspotenzial weiter für die Anlage in Dividendenpapieren. Nach unseren Berechnungen liegt der Dax in zehn Jahren deutlich über 30'000 Punkten. Zweitens gibt es immer noch viele vernachlässigte Substanzwerte mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 10 und einer soliden Ausschüttungsrendite.
Wichtiger Hinweis: Im Text genannte Einzeltitel stellen ausdrücklich keine Kaufempfehlung dar.