Das schwindende Vertrauen in das Fiat-Währungssystem und in die Fähigkeit der Zentralbanken, die Wirtschaft zu steuern, begünstigt die Suche nach Anlageklassen, die nicht mit Aktien, Bonds und Immobilien korrelieren.
In den vergangenen zwölf Monaten stieg der Wert von Bitcoin in Dollar um 30%, während der Goldpreis um rund 25% zulegte. Vielleicht hat diese Entwicklung etwas mit der Erkenntnis zu tun, dass wir uns endgültig in einem ewigen Nullzinsregime befinden.
Die kurzfristigen Leitzinsen in den USA sind nach 2008 ein Jahrzehnt lang auf 1% oder niedriger geblieben, und nach einem kurzen Intermezzo, als die US-Notenbank versucht hatte, die Zinsen sukzessive zu erhöhen, steuern sie nun wieder auf die Nulllinie zu.
Kaum jemand erinnert sich daran, dass der historische Durchschnitt der kurzfristigen Leitzinsen in den USA auf 3,5% liegt – ein für heutige Verhältnisse abnormal hoch scheinender Wert. Und in Europa und der Schweiz sind negative Zinsen mittlerweile die Normalität.
Diese Situation spricht für alternative Anlagen – echte Alternativen, die eine tatsächliche Diversifikation bieten. Immobilien, deren Wert mit dem Zinsniveau korreliert, sind keine Alternative mehr, da ihr Preisniveau in der Schweiz im historischen Vergleich mittlerweile sehr hoch ist.
Zahlreiche institutionelle Investoren haben ihre Allokation weg von den negativ rentierenden Schweizer Anleihen hin zur auf den ersten Blick lohnenderen Anlageklasse Immobilien verschoben – mit dem Effekt, dass die Preise aufgebläht wurden und das weitere Aufwärtspotenzial nun begrenzt ist.
Auch für private Anleger ist der Kauf von Immobilien nicht mehr so attraktiv, selbst mit Tiefstwerten bei den Hypothekarzinsen. Die Vergabe von Hypothekarkrediten ist in der Schweiz stark reguliert: Kapital aus der gebundenen Vorsorge darf nicht mehr als 10% des Marktwerts ausmachen, Hauskäufer müssen ihrer Bank nachweisen, dass sie sich 5% Zinsen leisten können, dabei sollte die Zinslast ein Drittel des Einkommens nicht überschreiten.
Das ist aus makroprudentieller Sicht zwar durchaus vernünftig, doch der einkommensschwächeren Mittelschicht der Schweiz ist der Immobilienkauf mittlerweile de facto grösstenteils verwehrt. Sie sitzen als Mieter fest, wobei die Mieten freilich viel weniger stark gesunken sind als das Zinsniveau am Hypothekenmarkt. Anpassungen der Mieten erfolgen in der Regel auch nicht automatisch, sondern auf Anfrage.
Kurz gesagt: Niedrige oder negative Zinsen, wie sie von der Schweizerischen Nationalbank festgesetzt sind, sind für die Kaufkraft der unteren Mittelklasse keine offensichtliche Hilfe. Sie helfen auch nicht dauerhaft, den Franken für die Exporteure zu schwächen. All dies zeigt sich in anämischem Wachstum; das Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum der Schweiz für das laufende Jahr von 1,2% auf 0,8% reduziert.
In diesem Umfeld sollte eine echte Diversifikation angestrebt werden, und Anlageklassen wie Kryptowährungen und Gold, die in den meisten Portfolios bis vor kurzer Zeit bestenfalls eine marginale Rolle spielten, erscheinen als interessante Alternativen. Beide können nicht in unbegrenzter Höhe von den Zentralbanken erschaffen werden, beide sind dezentralisiert, relativ unkorreliert mit den Aktienmärkten, und beide können von den Zentralbanken nicht mit negativen Zinsen belastet werden.
Der Goldpreis ist weniger volatil als die Kurse von Kryptowährungen. Im Jahr 2017 war Bitcoin gemäss dem aktuellen «In Gold we Trust»-Report des liechtensteinischen Vermögensverwalters Incrementum etwa 15 mal volatiler als Gold. Der Handel mit dem Edelmetall ist auch liquider als der Markt für Kryptowährungen. Täglich werden Bitcoins im Wert von durchschnittlich 2,5 Mrd. $ ausgetauscht, was nur 1% des Goldmarktes ausmacht, dessen tägliches Volumen 250 Mrd. $ übersteigt.
Ein weiterer Vorteil von Gold ist, dass das Edelmetall nicht von einem Netzwerk abhängig ist. Wer eine Transaktion schnell abwickeln muss, kann dies mit einer Goldmünze relativ einfach tun: kein Bedarf an Strom, Technologie oder einer Netzverbindung.
Aber auch Bitcoin hat viel zu bieten. Die Kryptowährung spricht die jüngeren Generationen an, die nicht so sehr daran interessiert sind, Gold zu halten wie ihre Vorgänger. Nicht wenige anspruchsvolle Anleger halten auch an der (von den Zentralbanken verteidigten) Doktrin fest, dass Gold bloss ein «barbarisches Relikt» ist, und hinterfragen den inneren Wert des Edelmetalls.
Für junge Investoren ist Bitcoin digitales Gold mit einer Zahlungsoption. Ihr Interesse an Kryptowährungen ist ihre eigene Art, eine Form von Misstrauen gegenüber der Zukunft des Fiat-Währungssystems auszudrücken. «Digital Natives» finden es nicht dumm, einen Teil ihres Vermögens in Bitcoin zu halten.
Wenn man nicht zwischen Gold und Bitcoin wählen möchte, sind so genannte «Stablecoins», Kryptowährungen auf Basis von Gold, eine interessante Option. Obwohl die regulatorischen Risiken für diese Produkte immer noch hoch sind, bieten Stablecoins eine Möglichkeit, in etwas Digitaleres als Gold und etwas Stabileres als Kryptowährungen zu investieren, da sie die Option einer Rückerstattung in physischem Gold enthalten können.
Stablecoins sind jedoch etwas teurer als Exchange Traded Funds (ETF) auf Gold und haben zusätzliche Einschränkungen. Diese beziehen sich auf die Sicherheit der privaten Verschlüsselung, regulatorische Unsicherheiten und begrenzte Liquidität. Um dies zu vermeiden, wäre die beste Option für Investoren, einen Teil ihres Vermögens in klassisches physisches Gold und einen anderen Teil in ein reines Kryptowährungs-Wallet zu investieren.
Die beiden Anlageklassen ergänzen sich gegenseitig und tragen zur Diversifikation der spezifischen Risiken bei. Die Korrelation zwischen Gold- und Bitcoin-Renditen ist schwach und signalisiert, dass der Anstieg der Kryptowährungen die Nachfrage nach Gold nicht beeinträchtigt.
Gold und Bitcoin werden von den zunehmend verunsicherten Sparern Europas immer mehr Beachtung finden, und die Suche nach alternativen Anlagemöglichkeiten wird in den kommenden Jahren intensiviert. Bis anhin haben die Sparer widerwillig akzeptiert, auf ihren Sparkonten keine Zinsen mehr zu erhalten, respektive nach Abzug der Inflation auf ihren Spareinlagen laufend Geld zu verlieren. Es ist wohl eine Frage der Zeit, bis sie auch mit negativen Nominalzinsen auf ihren Sparkonten belastet werden, sie nach Abzug der Inflation also noch mehr verlieren.
Im wahrsten Sinne des Wortes sind Gold und Bitcoin daher ein Synonym für Misstrauen.