Meinung

Totgesagte leben länger

Nach langem Leiden senden europäische Bankaktien Lebenszeichen – und das trotz regulatorischer Widrigkeiten. Dafür macht sich die Politik an, die letzten beiden Kernbranchen zu dezimieren.

Peter E. Huber
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«Die Regelungswut wird zu Flucht in die Unregulierbarkeit führen»
Hans Tietmeyer, ehemaliger Bundesbank-Präsident

Diametraler könnte die Kursentwicklung nicht sein als zwischen europäischen und amerikanischen Bankaktien in den letzten fünfzehn Jahren. Während zum Beispiel JPMorgan um 400% zulegen konnte und Goldman Sachs um 160%, verlor die Aktie der Deutschen Bank über 80% und die durch zahlreiche Kapitalerhöhungen verwässerte Commerzbank sogar 94% ihres Kurswertes (alle Angaben in Euro inklusive Dividenden).

Quelle: Refinitiv, Taunus Trust

Für dieses Debakel gibt es nur eine Erklärung. Während die USA ihre Banken in der Finanzkrise 2007 bis 2009 (Pleite von Lehman Brothers) massiv unterstützten, dann aber wieder an der langen Leine arbeiten liessen, wurde der Finanzsektor in Europa kaputt reguliert: Basel I, Basel II, Basel III ….. lassen grüssen. Die Führungskraft einer Grossbank erzählte mir, dass sie seit Jahren nur noch Mitarbeiter für die Compliance und zur Erfüllung der Regulierungsanforderungen einstellen und keine mehr für das operative Geschäft.

Dies geht auf das von Frau Merkel geprägte Narrativ zurück, dass nie mehr die Steuerzahler für eine Bankenrettung zur Kasse gebeten werden dürfen. Dass es überwiegend die staatlich gelenkten Landesbanken waren, die mit ihren Investitionen in wertlose US-Subprime-Anlagen Milliardenverluste einfuhren und mit öffentlichen Geldern gerettet werden mussten, wurde schamhaft verschwiegen. Meines Wissens hat die Deutsche Bank nie einen Cent an staatlicher Unterstützung erhalten.

Europa dezimiert die letzten beiden gesunden Kernbranchen

Nach «erfolgreicher» Arbeit machen sich unsere Bürokraten jetzt an die Dezimierung der letzten zwei gesunden Kernbranchen in Europa: der Chemie- und der Autoindustrie. Die Chemieindustrie verliert ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Energiekosten, bedingt durch den politischen Verzicht auf preiswertes russisches Erdgas. Wer es nicht glaubt, sollte sich die neuesten Nachrichten von der BASF ansehen, dem grössten Chemieunternehmen Europas. Die Energieströme fliessen künftig nicht mehr von Ost nach West, sondern ostwärts – einmal rund um die Welt –, um als teures und umweltschädliches US-Fracking-Gas bei unseren neu erbauten LNG-Terminals anzulanden.

Und der von der EU-Kommission gefeierte Beschluss für das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist ein Sargnagel für unsere Autoindustrie. Merke: die Wertschöpfung eines Verbrenners liegt im Motor, die eines E-Autos in der Batterie aus Asien und der Software aus den USA. Die naive Vorstellung einiger Politiker, in Europa eine Batterieproduktion aufzubauen, die angesichts der hohen Energie- und Personalkosten ohne Subventionen überleben kann, hat sich schon beim Scheitern der Solarindustrie als illusorisch erwiesen – Solarworld lässt grüssen.

Viele Experten hätten sich etwas mehr Technologieoffenheit gewünscht. Doch Forschungsgelder für die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe oder für die weitere Verbesserung der Effizienz von Dieselmotoren gibt es nach diesem Beschluss keine mehr. Abgesehen davon bleibt weiter fraglich, ob die Ökobilanz eines tonnenschweren Elektro-SUV, das mit dem derzeit vorhandenen Strommix durch die Lande kutschiert wird, wirklich besser ist. So ist die Entscheidung für das Verbrenner-Aus wohl mehr ideologisch begründet.

Banken senden unerwartete Lebenszeichen

Doch während sich die längerfristigen Aussichten für unseren Wirtschaftsstandort in der Chemie- und Autoindustrie drastisch verschlechtern, zeigt sich bei den Banken erfreulicherweise und wider Erwarten noch etwas Glut unter der Asche. Ganz offensichtlich hat man sich trotz eines extrem widrigen Umfelds mit jahrelangen Negativzinsen gesundgeschrumpft. Inzwischen steigt die Zinsmarge wieder, die in den letzten Jahren eingeführten Gebührenerhöhungen bleiben erhalten, und auch auf der Kostenseite macht man Fortschritte, z.B. durch Filialschliessungen, Online Banking, elektronische Postfächer etc. Die letzten Zahlen, selbst bei der Commerzbank, lassen aufhorchen.

Fazit: Nach zwanzigjähriger Abstinenz bei Bankaktien haben wir in den letzten Wochen und Monaten erstmals wieder nennenswerte Positionen in europäischen Bankaktien aufgebaut. Zumal wir davon ausgehen, dass sich die Zinsstrukturkurve auf mittlere Sicht wieder normalisiert und damit die Fristentransformation die Ertragslage positiv beeinflusst. Bis es so weit ist, müssen aber auch immer wieder temporäre Rückschläge in Betracht gezogen werden. Das stört uns nicht, denn wir sind langfristig orientierte Anleger.

Quelle: Refinitiv, Taunus Trust

Zur aktuellen Börsenlage

Anfang Oktober letzten Jahres haben wir ein deutliches Kaufsignal für deutsche Aktien gegeben und dies auch ausführlich begründet. Seitdem ist der Dax von unter 12'000 auf deutlich über 15'000 Punkte gestiegen. Da die Notenbanken noch für längere Zeit einen restriktiven Kurs fahren werden, die Zuwachsraten bei den Geldmengen weiter schrumpfen und die Anleihenmärkte schwach tendieren (was insbesondere für Wachstumswerte schlecht ist), hat sich das Umfeld insgesamt eingetrübt. Wir haben deshalb unser Portfolio durch die eine oder andere Gewinnmitnahme robuster gemacht.

Wir bleiben aber in unserem Vermögensfonds trotz der unverkennbar vorhandenen Risiken mit knapp 70% weiterhin relativ hoch in Aktien investiert. (In dem Börseneinbruch während der Pandemie-Phase im März/April 2000 hatten wir die Investitionsquote allerdings antizyklisch bis auf 96% hochgefahren). Denn das von uns berechnete langfristige Kurspotenzial ist beträchtlich.

Weltweit wurden Aktienmärkte im Zeitraum von 1979 bis 2022 im Mittel mit einem Shiller-CAPE von 20 und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 1,9 bewertet. Die Mitte des Fair-Value-Korridors repräsentiert den Indexwert, bei dem der Aktienmarkt auf diesen Bewertungsniveaus notieren würde.

Weltweit wurden Aktienmärkte im Zeitraum von 1979 bis 2022 im Mittel mit einem Shiller-CAPE von 20 und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 1,9 bewertet. Die Mitte des Fair-Value-Korridors repräsentiert den Indexwert, bei dem der Aktienmarkt auf diesen Bewertungsniveaus notieren würde.

Quelle: Refinitiv, Taunus Trust

Ausserdem stellen die Zinsmärkte angesichts weiterhin bestehender Inflationsrisiken und horrender Staatsverschuldung keine echte Alternative dar. Eine entscheidende Rolle spielt auch die Bewertung der Aktien. Solange man ein Portfolio aus qualitativ hochwertigen Substanzaktien mit einem einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis, einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,1 und einer Dividendenrendite von fast 4% zusammenstellen kann, ist es mir um die längerfristigen Aussichten an den Aktienmärkten nicht bange.

Peter E. Huber

Peter E. Huber ist Gründer und Geschäftsführer der Huber Portfolio GmbH in Oberursel. Er ist spezialisiert auf antizyklische Investitionen an den Aktien- und Anleihenmärkten. Zuvor war er Partner und Fondsmanager beim Vermögensverwalter StarCapital, den er 2016 an die Bellevue Group verkaufte. Huber hat in Mannheim Betriebswirtschaft studiert und danach für die Privatbank SMH in Frankfurt gearbeitet, bevor er sich 1981 selbständig machte.
Peter E. Huber ist Gründer und Geschäftsführer der Huber Portfolio GmbH in Oberursel. Er ist spezialisiert auf antizyklische Investitionen an den Aktien- und Anleihenmärkten. Zuvor war er Partner und Fondsmanager beim Vermögensverwalter StarCapital, den er 2016 an die Bellevue Group verkaufte. Huber hat in Mannheim Betriebswirtschaft studiert und danach für die Privatbank SMH in Frankfurt gearbeitet, bevor er sich 1981 selbständig machte.